Text: Andreas Frost
Mit geschultem Blick erkennt Thomas Buck, dass der Türspalt des Porsches nicht gleichmäßig breit ist. Auch die Dachleiste verläuft unregelmäßig. Über dem Aufnehmer für den Wagenheber ist der Holm eingedellt. All das weist auf Rost oder frühere Unfallschäden hin. So wie die Bläschen im hellblauen Lack des Kotflügels und die kleinen Beulen im Radkasten, gegen dessen Bleche der fahrende Reifen kleine Steine schießt. Wenn Buck mit dem Porsche fertig ist, wird er fast wieder so aussehen wie 1962, als er gebaut wurde.
In seiner eher unscheinbaren Werkstatt „Classic Carz“ in Grabow im Südwesten Mecklenburg-Vorpommerns hat sich der Karosseriebaumeister darauf spezialisiert, Oldtimer zu restaurieren – komplett oder Stück für Stück, so wie es die Kunden wünschen. Das braucht Zeit und individuelle Lösungen. Wo der Zahn der Zeit am Stahlblech genagt hat, passen selten vom Autohandel vorgefertigte Ersatzteile, ohne dass es nach dem Einbau auffällt. Häufig misst er die Schadstellen aus, schneidet, biegt, hämmert und dengelt Ersatzstücke zurecht, die nach traditionellen Schweißmethoden eingebaut werden. Soweit möglich, ebnet Buck Beulen wieder ein. „Dann müssen wir nichts herausschneiden.“ Er will möglichst viel der ursprünglichen Substanz der alten Wagen erhalten. „Die Patina soll sichtbar bleiben.“ Als Karosseriebauer „kleide ich das Auto ein“, sagt Buck. Kfz-Mechaniker sind für Motor und Getriebe zuständig, Sattler für die Polster, Lackierer für den Lack. Für diese Aufträge hat Buck sein Netzwerk in der Region.
Thomas Buck hat schon bei einem DKW F8 aus den 1930er-Jahren eine elektrische Zündung eingebaut. „Der Rahmen war noch aus Holz“, erzählt Buck. Aber die meisten seiner Kunden bringen ihm Autos aus den 1960er- bis 1980er-Jahren. Ein seltener BMW 2000 CS braucht eine Abschleppöse, ein Ford Mustang eine neue Motorhaube, die es in Deutschland nicht mehr gibt.
Am Trabant und am Wartburg wollte Thomas Buck schon als Jugendlicher „klempnern“, wie er es nennt. In Schwerin absolvierte eine Ausbildung zum Karosseriebauer. Als Geselle landete er dann bei einem auf noble Oldtimer spezialisierten Betrieb in Hamburg – zwei Autowelten prallten aufeinander. „Dort habe ich zum ersten Mal an alten englischen Wagen gearbeitet“, erinnert sich Buck. Seine eigene Werkstatt eröffnete er später im Südwesten Mecklenburgs, wo er zu Hause ist.
Autos vermitteln Buck „ein Gefühl von Unabhängigkeit und die Möglichkeit, einfach loszufahren.“ Das hat er ausgelebt. Er ist in den USA die legendäre „Route 66“ abgefahren und hat ein Jahr lang alle Winkel Australiens erkundet. „Aber irgendwann gleichen sich die endlosen weißen Sandstrände, ich wollte wieder einmal die Kühle eines grünen Waldes spüren.“
Also kam er nach Mecklenburg-Vorpommern zurück. Dort lassen sich seine beiden Autowelten gut miteinander vereinbaren. Für einen solventen Kunden hat er einst Seitenschweller eines Aston Martin DB5 erneuert. „James Bond“ Sean Connery fuhr in „Goldfinger“ ein Nachfolgemodell. Der Wert des Wagens liegt deutlich im sechsstelligen Euro-Bereich. Ein örtlicher Handwerksmeister mit eher kleinem Geldbeutel wiederum hat seinen Barkas-Transporter im typischen DDR-Rot bei Buck in treue Hände gegeben. Für den Karosseriebauer macht es keinen Unterschied: Für ihn sind es Liebhaberstücke, die ihren Eigentümern viel bedeuten und ihm die Geschichten erzählen, die sie mit ihnen erlebt haben. „Manche Wagen sind Erbstücke, die die heutigen Besitzer sonntags gewaschen haben, als sie noch ein Kind waren.“
Thomas Buck ist kein Sammler. „Ich freue mich an der Ästhetik alter Autos, am glänzenden Chrom, an Kotflügeln, die nicht am Computer und im Windkanal konzipiert wurden. Dafür muss ich sie nicht besitzen.“ Aber natürlich hat Buck einen Oldtimer. Mit seinem Porsche 911S, vollverzinkt aus dem Baujahr 1977, fährt er am liebsten durch die Mecklenburger Alleen: „Das entschleunigt so schön.“