Gastbeitrag
Phillipp Schröder

„Nasse Moore braucht das Land...“

Gastbeitrag von Prof. Hans Joosten, emeritierter Professor der Universität Greifswald / Greifswald Moor Centrum 

Es klingt nicht viel, aber 12 Prozent der Landfläche Mecklenburg-Vorpommerns sind von Mooren bedeckt. Das macht Mecklenburg-Vorpommern zu einem der moorreichsten Bundesländer Deutschlands.

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Die 288.000 ha Moorflächen sind aber größtenteils entwässert und stellen eine große Quelle von Treibhausgasen dar. Sie verursachen ein Drittel der Gesamtemissionen des Landes, übertreffen die Festlegung von Kohlenstoff in allen Wäldern im Land und sind größer als alles was die Windkraft (onshore und offshore) uns an Treibhausgasen einspart. Anders gesagt: Solange die Mooremissionen nicht angehalten werden, wischen wir mit offenem Wasserhahn – und wachsen die Wälder und drehen die Windräder in MV aus Klimasicht großenteils „für die Katz“. Die Mooremissionen in MV verursachen jährlich einen Klimafolge-Schaden von über einer Milliarde Euro. Das kann so nicht weitergehen: Die Emissionen müssen stark zurückgedreht werden. Das geht aber nur durch Wiedervernässung. 

In Mecklenburg-Vorpommern ist dazu bisher Pionierarbeit geleistet worden:  

  • Als erstes Bundesland hat MV die Klimabedeutung der Moore erkannt und seit 1995 ca. 31.000 ha Moorflächen wiedervernässt.
  • In MV ist die „Paludikultur“, d.h. die nasse Nutzung von Mooren, als Alternative für die gängige entwässerungsbasierte Land- und Forstwirtschaft, geprägt, maßgeblich entwickelt und pilotartig umgesetzt worden. Im Jahr 2017 wurde vom Land eine „Fachstrategie Paludikultur“ präsentiert. 
  • MV ist zudem der Geburtsort von MoorFutures®, dem weltweit ersten Standard, der es geschafft hat, Moorwiedervernässung einzig aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten zu finanzieren. 

Prof. Hans Joosten ist niederländischer Biologe und emeritierter Professor für Moorkunde und Paläoökologie an der Universität Greifswald (Bild: Jongebloed DBU)

Prof. Hans Joosten bei der Verleihung des Deutschen Umweltpreises (Bild: Peter Himsel)

An all diesen Sachen haben wir, im Greifswald Moor Centrum, tüchtig mit und -zugearbeitet. 

Die gerade verabschiedeten Berichte des Weltklimarats haben die extreme Dringlichkeit der Klimakrise klar herausgestellt. Um die Klimaänderung auf ein menschliches Maß zu beschränken, müssen bis 2050 (und besser schneller!) weltweit alle CO2-Emissionen auf Netto-Null gesenkt werden. Für Mecklenburg-Vorpommern bedeutet dies, dass ab jetzt jährlich mindestens 8.500 ha Moore wiedervernässt werden müssten.

Entweder werden die Flächen aus der Produktion genommen oder sie werden in eine nasse Nutzung, sprich Paludikultur, überführt. Beide Optionen bringen große Vorteile für Klima, Biodiversität, Wasserregulierung, Wasserverfügbarkeit, regionale Kühlung usw. Paludikultur bringt darüber hinaus auch Einkommen aus der Biomasseproduktion.  

Wir haben die Kenntnisse, die Instrumente und die Erfahrung. Jetzt geht es darum, die Wiedervernässung schnell und großflächig umzusetzen. Dazu braucht es eine sektorenübergreifende Moorschutzstrategie mit strukturstärkenden und innovationsfördernden Maßnahmen in einer Größenordnung wie beim Kohleausstieg.  

Kurzbiografie

Hans Joosten (1955, Niederlande) ist (inzwischen pensionierter) Professor für Moorkunde und Paläoökologie an der Uni Greifswald und Mitbegründer des Greifswald Moor Centrum. Zu seinen Forschungsthemen gehören die Paludikultur und die Moorrestauration. Seit 2009 beteiligt er sich intensiv mit der Klimakonvention und im Weltklimarat, insbesondere im Hinblick auf Emissionen aus Moorböden. Mit der Welternährungsorganisation FAO setzt er sich für eine klimaverträgliche Moornutzung ein. Seit 2017 ist er Mitglied des Lenkungsausschusses der Global Peatlands Initiative der Vereinten Nationen. Er hat Hunderte von Studenten in Moorschutz und nachhaltiger Moornutzung ausgebildet.  

Die Paludikultur ist aber noch nicht ganz fertig für ihre großen Aufgaben. Viele Paludikulturverfahren brauchen noch ein Jahrzehnt, bis gutlaufende Produktionslinien, Produkte und Märkte vorhanden bzw. zusammengebracht sind. Und doch sollten wir die umfassende Wiedervernässung möglichst schnell voranbringen. Als Übergangsstrategie sollten wir den Kohlenstoffmarkt, d.h. den Handel mit Emissionszertifikaten, verwenden. Die Nachfrage nach Emissionszertifikaten steigt rasant, weil immer mehr Institutionen immer ehrgeizigere Ziele zur Klimaneutralität setzen. Weil sie diese Ziele oft aus eigener Kraft nicht schnell genug erreichen können, brauchen sie „offsets“, wobei andere Sektoren die Emissionsreduktion bringen, die sie selbst noch nicht leisten können. Demzufolge sind die Preise der Zertifikate in den letzten Jahren stark gestiegen. Mit Emissionszertifikaten lässt sich die Moorwiedervernässung, durch die großen Emissionsreduktionen, die sie erzeugt, gewinnbringend finanzieren. Die Unternehmen können so ihr Einkommen verdienen, bis die Paludikulturen technisch voll entwickelt und ökonomisch selbsttragend sind. 

Nasse Moore braucht das Land und zwar sofort! Wir stehen mit unserem Wissen und unserer Erfahrung dafür bereit. 

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