Diese drei Buchstaben stehen für etwas ganz Besonderes: OTC. Der Ocean Technology Campus in Rostock bietet eine weltweit einmalige Möglichkeit, küstennah neue Unterwasser-Technologien zu entwickeln und zu testen. Hier wird die Zukunft unter Wasser gestaltet.
Text: Dörte Rahming
Ein weltweit einmaliges Forschungszentrum entsteht an und in der Ostsee
In Sichtweite des Strandes von Nienhagen bei Rostock ragt ein gelbes Gerüst aus der Ostsee. Am Fuß dieser Plattform verbirgt sich Wissenschaft: Schon seit fast 20 Jahren liegen hier Tausende Elemente aus Naturstein oder Beton auf dem Meeresgrund. Bisher diente dieses künstliche Riff in erster Linie der Fischereiforschung, doch nun entsteht hier ein riesiges Testfeld für die Meerestechnik, nur etwa anderthalb Kilometer vom Ufer entfernt: das sogenannte Digital Ocean Lab. In mehr als zehn Metern Tiefe werden anwendungsnahe Szenarien aufgebaut, beispielsweise Seekabel verlegt. Mit Sensoren kann dann geprüft werden, wie sie funktionieren und wie sie sich auf die Umwelt auswirken. Die Strukturierung des Areals in komplett ausgerüstete Unterwasser-Gärten ermöglicht vielfältige Forschungen.
Bisher gibt es nirgendwo auf der Welt eine Möglichkeit, so nahe dem Festland neue Unterwasser-Technologien auszuprobieren. Innovationen etwa zur Erkundung des Meeresbodens und zum Fisch-Monitoring, zur Wartung von Offshore-Anlagen und zur Munitionsbergung können derzeit nur mit sehr hohem organisatorischen und finanziellen Aufwand getestet werden. Das ändert sich nun – direkt vor der Küste von Mecklenburg-Vorpommern.
Netzwerk an Land
Ein paar Kilometer landeinwärts, im Rostocker Fischereihafen, entwickelt sich ein Areal für all diejenigen, die an neuen Technologien der Meerestechnik forschen oder schon mit ihnen arbeiten: der Ocean Technology Campus, kurz OTC. Hier arbeiten Spezialistinnen und Spezialisten aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen zusammen – von der ersten Idee bis zur Firmengründung oder bis zum Markteintritt eines neuen Produkts. „Wir verschenken Potenzial, wenn wir versuchen, Innovationen allein voranzutreiben, dann bleiben Ideen in der Schublade“, sagt Prof. Uwe Freiherr von Lukas, Standortleiter des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung (IGD). „Eine umfassendere Kooperation ist nötig. So können wir in Zukunft die großen Chancen, die uns die Meere bieten, besser erschließen.“
Ich bin Wassersportler, wenn auch mehr auf Binnengewässern unterwegs. Ich paddle sehr gerne – ein Urlaub ohne Wasser geht nicht.
Prof. Uwe von Lukas
Das Fraunhofer IGD ist ein wesentlicher Treiber für den Campus, denn in diesem Institut verbinden sich von jeher Forschung und kommerzielle Verwertung. Auch die Universität Rostock, weitere Forschungsinstitute, die Landesforschungsanstalt und andere Partner sind beteiligt. „Wir haben offene Türen für alle, die sich einbringen wollen“, betont von Lukas. „Es gibt schon Firmen von außerhalb, für die diese dynamische, innovative Umgebung attraktiv ist und die sich deshalb hier niederlassen.“
Ebenso unverzichtbar ist die Kooperation mit Rostock Business, der lokalen Wirtschaftsfördergesellschaft. Aktuell gehören etwa 30 Partner zum OTC. Das Bundesforschungsministerium fördert den Ausbau des Campus als Zukunftscluster aktuell mit 15 Millionen Euro. Und auch die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns unterstützt die Forschung seit vielen Jahren, weiß von Lukas. „Das ist wichtig für die Entwicklung des Landes, um Unternehmen anzusiedeln oder Start-ups zu ermöglichen – dafür sind kurze Wege und gute Vernetzung wichtig. Wir haben zwar viele Talente, aber wir wollen auch weitere von außen anziehen.“
Kooperation auf ganz kurzen Wegen
Eine der ersten Mieterinnen auf dem OTC war die Rostocker Firma Kraken Power, die Antriebe für Tiefsee-Roboter entwickelt und produziert. Hier ist genug Platz für die derzeit 25 Mitarbeitende, und hier stehen auch riesige Drucktanks. Darin werden die Batterieblöcke getestet, denn immerhin müssen sie in Tiefen bis zu 6.000 Metern funktionieren. „Es ist wie autonomes Fahren unter Wasser“, erklärt Geschäftsführer Dr.-Ing. Carl Thiede. „Manche der Roboter brauchen nur einen einzigen Batterieblock, andere bis zu zwölf.“ Damit können sie zwischen zehn Stunden und knapp vier Tagen unter Wasser bleiben. Die derzeit kleinsten Batterieblöcke wiegen 30 Kilogramm, die größten 160. Die innen verbaute Elektronik ist immer gleich und wird in Silikon gegossen. Das Unternehmen gehört seit 2018 zur kanadischen Kraken Robotics Inc., einem der weltweit führenden Unternehmen der Branche für Unterwasser-Technologien.
In der täglichen Arbeit kooperiert Dr. Thiede eng mit seinen Nachbarn auf dem Campus. Direkt nebenan bietet eine Firma unter anderem Sicherheitslehrgänge für Einsätze auf See an. So müssen die Kraken-Mitarbeitenden für die Schulungen nur eine Tür weiter gehen. Von Framework Robotics kommen 3D-Druck-Teile. Das Unternehmen entwickelt einen neuen Standard für Unterwasser-Systeme, damit Tauchroboter genau nach den Bedürfnissen ihrer Anwendung aufgebaut oder ergänzt werden können. Und auch die EvoLogics GmbH aus Berlin, die sich mit Unterwasser-Kommunikation beschäftigt, hat sich auf dem Campus eingemietet. „Wir kennen uns alle persönlich, nicht nur aus Videokonferenzen. Und wir müssen auch nicht extra irgendwohin fahren“, schwärmt Kraken-Chef Thiede.
Ich bin ein Fischkopp, an der Küste groß geworden. Ich segle gern, aber ich tauche nicht – das überlasse ich den Robotern, die ich baue.
Dr. Carl Thiede
Die Zusammenarbeit funktioniert in alle Richtungen. Sein Unternehmen unterstützt das Fraunhofer-Institut technisch, wenn nötig. Ein Beispiel: In einem Projekt der Forschungsgruppe Smart Ocean Technologies geht es um die Lebensdauer von Batteriezellen unter Wasser – genau das Spezialgebiet von Kraken. „Wir vergießen die Zelle mit deren Messtechnik bei uns und testen sie in unseren Drucktanks – gemeinsam mit den Forschenden.“ Umgekehrt bekommt Thiede aus einem gemeinsamen Projekt Informationen über den technologischen Stand und die Marktsituation für Batteriezellen.
Bastlerinnen und Bastler für Meerestechnik gesucht
Direkt neben den Produktionshallen von Kraken Power gibt es eine Hightech-Bastelwerkstatt: das Ocean Open Lab. Hier stehen ein 3D-Drucker, Lötstationen und andere Werkzeuge, mit denen man Ideen für Unterwasser-Technologien wahr werden lassen kann. „Darunter sind etliche, die man nicht unbedingt in der Garage zu stehen hat“, sagt Wiebke Külper. Sie ist verantwortlich für das Projekt, das vom Forschungsverbund Mecklenburg-Vorpommern (FMV) betrieben wird.
Ich bin auf dem Wasser groß geworden, denn ich stamme aus einer Seglerfamilie. Ich bin praktisch mit dem Wasser verwandt.
Wiebke Külper
Besonders angesprochen sind Start-ups aus dem Bereich Meerestechnologie. „Wenn hier verschiedene Gruppen aufeinandertreffen und sich austauschen, ist unser Plan aufgegangen.“
Vor wenigen Wochen waren 15 junge Leute aus elf Ländern zur ersten Summer School des OTC nach Rostock gekommen. Ihre Aufgabe: eine Lösung zur Aufbereitung von Meerwasser zu Trinkwasser zu finden, die auch im Kleinformat funktioniert. „Es ging nicht darum, den perfekten Prototyp zu basteln, sondern überhaupt erst mal ins Basteln zu kommen“, meint die Projektverantwortliche. Auch einige andere Veranstaltungen haben schon Interessenten angezogen, weitere wie 3D-Druck-Workshops oder DemoDays sind geplant. Aus Külpers Sicht ist Mecklenburg-Vorpommern ein gutes Pflaster zum Forschen – und zum Leben. „Ich wohne in Wassernähe, man hat überall ziemlich viel Platz – besser geht es nicht.“