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Rostocker Horizonte

Gotische Giebelhäuser und Plattenbauten. Kirchen und Kneipen. Marktplatz und Seepromenade. Fluss und Ostsee. Botanischer Garten und Europas bester Zoo. In der Hanse- und Universitätsstadt Rostock ist alles vorhanden. Die größte und bevölkerungsreichste Stadt des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist zudem Hafenstadt, Seebad und ein wichtiger Kultur- und Wirtschaftsstandort. Sie übt nicht nur eine große Anziehungskraft auf Touristen aus, sondern auch auf Familien, Gründende, Studierende, Kreative und Möwen. Die Mischung aus quirligem Stadtleben und Entschleunigung am Meer weckt eben Sehnsüchte.

Beitrag von Janet Lindemann 

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Lebendigkeit erleben 

Vor der Uni noch mal fix in das Meer springen, auf den Wellen reiten, warme Sandkörnchen durch die Finger rieseln lassen, Fährschiffen beim Einlaufen zuschauen. Das Ostseebad Warnemünde, ein Stadtteil von Rostock, verfügt über einen kilometerlangen Strand. Kein Wunder also, dass es junge Menschen aus aller Welt an die Universität in der Innenstadt zieht. Sie ist nicht nur die älteste im Ostseeraum, sondern steht auf der Beliebtheitsskala deutschlandweit ganz oben.

Den Kultur- und Wirtschaftsstandort Rostock kann man auch gut vom Wasser aus erkunden. (Bild: TMV)

Junge Menschen aus aller Welt studieren an der Universität Rostock. 
(Bild: AdobeStock, B_Wegner)

Möchte mehr Frauen dazu bewegen, sich politisch zu engagieren - die gebürtige Ukrainerin und Prorektorin für Nachhaltigkeitsmanagement Ludmilla Lutz-Auras. (Bild: Christian Rödel)

Der Blick auf das Seebad Warnemünde im Rostocker Norden zeigt, wie nah sich weites Meer und lebendiges Stadtleben sein können. (Bild: TMV/Felix Gänsicke)

Eine beliebte Einkaufsstraße im Herzen der historischen Altstadt von Rostock: die Kröpeliner Straße. (Bild: AdobeStock, ArTo)

Das Hauptgebäude im Stil der mecklenburgischen Terrakotta-Renaissance befindet sich zwischen weiteren prächtigen Altstadtbauten aus der Hansezeit. Nicht selten werden die Gespräche der Studierenden von Möwengeschrei übertönt. Auf dem Campus Ulmenstraße in der Kröpeliner-Tor-Vorstadt befindet sich der Hauptarbeitsplatz von Dr. Ludmila Lutz-Auras. Die gebürtige Ukrainerin zog im Alter von zwölf Jahren mit ihren Eltern nach Wismar. Heute ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Internationale Politik und Entwicklungszusammenarbeit und ab April 2022 auch Prorektorin für Internationales, Gleichstellung und Vielfaltsmanagement. Die Kröpeliner-Tor-Vorstadt ist das Szeneviertel der Stadt. „Es gibt viele kleine Cafés und Clubs, hier pulsiert das Leben“, schwärmt die quirlige Macherin mit den auffallend roten Haaren von ihrem Lieblingsstadtteil. Nach langen Nächten reist man am besten an den Strand, um den Kopf zu leeren. Das erste Frühstück am Meer bleibt garantiert lange im Gedächtnis. 

Nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen 

Aus dem Lehrstuhl für Fluidtechnik an der Universität Rostock ist das Maschinenbauunternehmen AIM3D hervorgegangen. „Nach meinem Abschluss 2014 kam ich mit einer Idee für ein neuartiges 3D-Druck-Verfahren an den Lehrstuhl von Prof. Seitz und habe zusammen mit ihm und Dr. Morrison ein Drittmittelprojekt beantragt“, erzählt Clemens Lieberwirth, Gründer und technischer Leiter.

Hatte nach seinem Studium die Idee für ein neuartiges 3D-Druck-Verfahren: Clemens Lieberwirth, Gründer und technischer Leiter von AIM3D.  (Bild: Christian Rödel)

Zukunftsweisend: 3D-Drucker der Firma AIM3D.
(Bild: AIM3D)

 Erfolgskurs: Firma AIM3D am Standort Rostock.
(Bild: AIM3D)

Im Rahmen des Projektes wurden Prototypen aufgebaut, Versuche durchgeführt und Materialeigenschaften bestimmt. Im Jahr 2016 wagten sie den Schritt in die Selbstständigkeit. Mit Erfolg. Zu ihren Kunden zählen Unternehmen aus dem Maschinenbau, sowohl aus der Metallverarbeitung, der Kunststoffverarbeitung als auch der Verarbeitung von Keramiken. Hinzu kommen viele Forschungseinrichtungen, die die Maschinen nutzen, um neue Materialien zu entwickeln oder die Grenzen dieser neuen Technologie auszuloten und zu erweitern. 

„Auch das Thema nachhaltige Produktentwicklung spielt eine wichtige Rolle. So können Recycling-Produkte direkt wieder im 3D-Druck zu neuen Bauteilen verarbeitet werden“, ist der gebürtige Rostocker stolz. Aktuell beschäftigt AIM3D 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bereichen Verwaltung, Entwicklung, Vertrieb, Service und Produktion. Was Clemens Lieberwirth an Rostock besonders liebt? „Es ist das Nordische, das Entschleunigende, sei es in den Menschen oder in der Natur. Wir ticken hier etwas anders, lassen uns in der Regel nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Das mag ich.“ 

Eine Einheit 

Maritime Krane prägen die Skyline im Rostocker Industriehafen. Im Jahr 2005 startete die Liebherr-MCCtec Rostock GmbH auf einer Gesamtfläche von 451.000 Quadratmetern ihre Produktion. Mit mehr als 1.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehört die Firma Liebherr im Überseehafen zu den größten Arbeitgebern in Mecklenburg-Vorpommern.

Julia Bastian hat bei der Liebherr MCCtec Rostock GmbH ihren Traumjob gefunden und genießt Stadt- und Strandleben gleichermaßen. (Bild: Christian Rödel) 

Die direkte Anbindung an die Ostsee war für die Entscheiderinnen und Entscheider ein wesentlicher Aspekt für den Standort Rostock. Firmeneigener Nachwuchs kommt direkt von der Liebherr-Akademie selbst. Auch Julia Bastian gehört zu den Absolventinnen und Absolventen. Im September 2018 hat sie eine Ausbildung zur Industriekauffrau begonnen. Heute ist sie als Fachkraft für den operativen Einkauf zuständig und damit wichtiges Bindeglied zwischen internen und externen Partnern. „Nach dem Abitur habe ich eine Ausbildung mit Praxisbezug gesucht. Und die habe ich bei Liebherr gefunden. Ich habe bereits während meiner Lehre sehr viele Bereiche und Teams kennenlernen dürfen“, fühlt sie sich im Unternehmen bestens aufgehoben. Das Arbeitsklima beschreibt sie als sehr gut: „Wir sind eine Einheit.“ In Ribnitz-Damgarten aufgewachsen, kennt Julia Bastian die Stadt Rostock seit ihrer Kindheit. „Hier hat man Stadtleben und Ostseestrand“, schwärmt sie von ihrer neuen Heimatstadt. Ihr Lieblingsort ist Warnemünde. 

Ein großes Herz für die Kunst 

Der Rostocker Ortsteil Warnemünde mit seinem breiten Sandstrand, der Strandpromenade und dem Leuchtturm an der Zufahrt zum Hafen Rostock ist auch ein Lieblingsort von Dr. Jörg-Uwe Neumann. Seit 2009 ist er Direktor der 1969 eröffneten Kunsthalle Rostock.

Dr. Jörg-Uwe Neumann ist seit 2009 Direktor der Kunsthalle Rostock, deren Kunstwerke (vor einer Plastik des verstorbenen Rostocker Bildhauers Jo Jastram) er schon als Kind bestaunt hat. (Bild: Christian Rödel)

Der einzige Kunst-Neubau der ehemaligen DDR liegt idyllisch im Parkgelände des Schwanenteichs in Rostock. (Bild: Kunsthalle Rostock)

Das Rostocker Schaudepot stellt derzeit die Werke der Kunsthalle aus - und präsentiert sich dabei selbst als solches. (Bild: Kunsthalle Rostock)

Schon als Kind fühlte er sich in dem einzigen Museumsbau der DDR zu Hause. „Mich interessierte besonders die Kunst aus nichtsozialistischen Ländern“, sagt der gebürtige Rostocker. Als die Kunsthalle geschlossen werden sollte, sah er seine Chance. Mit weiteren Kunstfreunden gründete er den Verein „Pro Kunsthalle“, bewahrte das Haus unter seiner Leitung vor der Auflösung und setzt sich bis heute mit großem Engagement für die Kunst aus Mecklenburg-Vorpommern ein. Mehrmals im Jahr wird in dem Museumsbau im Parkgelände des Schwanenteichs im Stadtteil Reutershagen zu wechselnden Ausstellungen und Aktionen wie dem Kinder-Kunst-Club eingeladen. Etwa 60.000 Besucherinnen und Besucher zählt Jörg-Uwe Neumann pro Jahr.

In der Kunsthalle sieht er sehr viel Potenzial. Aktuell wird sie generalsaniert. Neue Ausstellungsflächen sollen hinzukommen, ein Dunkelraum für Veranstaltungen, neue Büros. Die Eröffnung ist für 2023 geplant. Bis dahin kann die Sammlung des Kunstmuseums im angrenzenden Schaudepot besichtigt werden. „Rostock ist eine besondere und schöne Stadt“, zieht es Jörg-Uwe Neumann in seiner Freizeit nicht nur nach Warnemünde, sondern auch an den Schwanenteich oder zum Joggen in den Barnstorfer Wald im Südwesten der Stadt. 

Revolutionäre Entdeckungen 

Was passiert, wenn sich drei Akademiker treffen – ein Betriebsingenieur, ein Elektrotechniker und ein promovierter Physiker? Sie entwickeln Methoden der künstlichen Intelligenz, um Luft- und Satellitenbilder in digitale Karten zu übersetzen. So liefern sie beispielsweise großflächige und hochauflösende Daten an Energieversorger und Katasterämter. Aus denen geht hervor, wo sich versiegelte Flächen und mögliche Gebiete für Solaranlagen befinden. Vor zwei Jahren haben die Brüder Jakob und Dr. Johann Heller sowie Joshua Becker die Firma deeeper.technology gegründet, inzwischen sind sie weltberühmt.

Wollen mit künstlicher Intelligenz Flächennutzung smarter machen: Die Brüder Jakob und Dr. Johann Heller gehören zum innovationen Gründungs-Trio. (Bild: Christian Rödel)

Die drei Gründer von deeeper.technology (mittig: Joshua Becker) setzen auf den Ausbau erneuerbarer Energien und Gleichberechtigung im Unternehmen.  (Bild: Christian Rödel)

Im Jahr 2021 hat das Unternehmen gleich mehrere Preise gewonnen, den Existenzgründerpreis der OZ zum Beispiel oder den von der Europäischen Raumfahrtbehörde (ESA) ausgelobten Kopernikus-Preis Bremen. Auf der weltweit größten Messe für Geoinformationswirtschaft, der Intergeo, wurde deeeper.technology mit dem Wichmann Innovations Award für die beste Softwareinnovation ausgezeichnet. „Wir sind überwältigt von der Resonanz“, versucht Jakob Heller das Glück in Worte zu fassen.

13 Mitarbeiter sind im Unternehmen beschäftigt, darunter sechs Frauen. Die Zwillingsbrüder und Joshua Becker kennen sich von der Uni Rostock. Joshua ist Betriebsingenieur und hat ein Management-Studium absolviert. Jakob hat einen Master in Elektrotechnik und Johann ist promovierter Physiker. Rostock ist für sie zur Heimat geworden. Hier arbeiten sie am liebsten, entwickeln, entdecken, erforschen. 

Zukunft leben in Rostock

Mit Flächen beschäftigt sich auch Nadine Gentz vom Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Wirtschaft. Wo wird gewohnt? Welche Gebiete werden gewerblich genutzt? Wo gibt es Grünflächen? Fragen über Fragen in der wachsenden Stadt Rostock.

Behält den Überblick: Nadine Gentz vom Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Wirtschaft. 
(Bild: Christian Rödel)

Mit dänischer Leidenschaft für seine Stadt: Der gebürtige Kopenhagener Claus Ruhe Madsen ist der erste ausländische Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt. (Bild: Kristina Becker)

Ein „Zukunftsplan“ soll nun aufzeigen, welche Flächen für welche Nutzung infrage kommen. „Auf seiner Grundlage entstehen alle rechtsverbindlichen Bebauungspläne der Stadt“, sagt die Rostockerin. Schon jetzt zeichnet sich nämlich ab, dass der gegenwärtig geltende Flächennutzungsplan den Trend nur noch unzureichend abbildet. „Das Schrittmaß, mit dem sich Rostock in den nächsten Jahren entwickeln muss, bedarf einer ganzheitlichen und zusammenhängenden Neubetrachtung. Daher hat die Bürgerschaft bereits 2017 beschlossen, den Flächennutzungsplan neu aufzustellen.“ Die Wünsche und Bedürfnisse der Rostockerinnen und Rostocker sollen mit einfließen. „Ein wesentliches Ziel ist die Weiterentwicklung einer zukunftsfähigen Stadtstruktur.“ So soll unter anderem ein Umwelt- und Freiraumkonzept auf den Weg gebracht werden, das in den Zukunftsplan einfließt.

„Rostock ist der Ort, an dem ich seit vielen Jahren lebe und mir meine Existenz aufgebaut habe“, ist der heutige Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen mittlerweile in der Hansestadt fest verwurzelt. Heimatgefühle verspürt er dennoch, wenn er seine Geburtsstadt Kopenhagen besucht. „Das fühle ich aber mittlerweile genauso, wenn ich nach Rostock zurückkomme. Würde ich mich hier nicht so heimisch fühlen, hätte ich vermutlich nicht die Wahl zum Oberbürgermeister angetreten.“ Die Zukunft von Rostock sieht Claus Ruhe Madsen in einer klimafreundlichen und innovativen Stadtentwicklung. Rostock strahlt heute schon eine besondere Atmosphäre aus, sagt er und lächelt. „Aber da geht noch viel mehr.“ 

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