von Dörte Rahming
Um diesen Arbeitsplatz wird Anne May sicher oft beneidet: Sie pflegt die Pinguine auf der Dachterrasse des Ozeaneums in Stralsund. Seit 15 Jahren tippeln die putzigen Tiere jeden Tag um sie herum, wollen gefüttert oder gestreichelt werden.
Elf schwarz-weiße Vögel erwarten die Tierpflegerin, wenn sie mit dem Eimer voller Fisch auf die Anlage kommt. Anne May kennt sie mit Namen, und jeder bekommt seine Ration schnabelgerecht serviert. Und auch ein bisschen Streicheln nehmen sie gern – ihr Gefieder fühlt sich erstaunlich weich an, selbst wenn es nass ist. Etwas später muss sie sich für einen besonderen Teil ihrer Arbeit extra umziehen: Sie schlüpft in einen Taucheranzug und steigt – gemeinsam mit einem Kollegen – in den „Offenen Atlantik“. In dem riesigen Becken schwimmen Rochen, Haie und Makrelen. Auch hier wird gefüttert – und das Publikum auf der anderen Seite der 30 Zentimeter dicken Scheibe staunt.
Ein Leben lang mit Tieren
Die 42-Jährige stammt von einem Hof in Niedersachsen. „Mein Wunsch, was mit Tieren zu machen, kommt schon aus der Kindheit“, erzählt sie.
„Ich hatte zuerst eine Tischlerausbildung gemacht und dann direkt im Anschluss im Kölner Zoo die Ausbildung zur Tierpflegerin.“
Nach einer weiteren Station in Rostock kam sie vor ziemlich genau 15 Jahren ins Ozeaneum nach Stralsund. „Der Kontakt zu den Tieren macht am meisten Spaß – die sind ja sehr zutraulich. und ich bin gerne draußen.“
Wer selbst Tierpflegekraft werden möchte, solle sich zuerst einen Praktikumsplatz organisieren und erleben, ob der Beruf wirklich das Richtige ist, empfiehlt sie.
Pinguine als Forschungsprojekt
Humboldt-Pinguin Lemmy und drei seiner Artgenossen oben auf der Dachterrasse waren vor einigen Jahren sogar an einem wissenschaftlichen Projekt beteiligt: Es wurde untersucht, wie gut sie hören können.
„Wir haben den Tieren beigebracht, in eine Schallkammer zu gehen und uns anzuzeigen, ob und welche Töne sie in welchen Frequenzen hören“, erinnert sich Anne May.
„Die Pinguine, die wir für dieses Projekt ausgewählt hatten, waren hier geschlüpft. Das heißt, sie kannten uns. Kleine Pinguine sind sehr zutraulich, sehr neugierig. Aber man benötigt viel Zeit, viel Vertrauen. Und sie haben das Ganze auch ein bisschen als Spiel gesehen.“
Wer sich fragt, wie die Tiere von der Pazifikküste in Peru und Chile mit dem hiesigen Wetter klarkommen: Sie sind recht unkompliziert. „Als Südamerikaner mögen sie die Warmtemperaturen lieber“, weiß die Tierpflegerin.
„Wenn es aber zu warm wird, ziehen sie sich gerne in ihre Höhlen zurück, da ist es schattig und kühl. Im Winter, bei leichten Minusgraden, können wir sie draußen auf der Anlage lassen. Es sei denn, es weht so ein kalter Frostwind, dann werden sie dann ins Winterquartier gebracht.“
Das Besondere ist, dass wir die Unterwasserwelt der nördlichen Meere in vielen Aquarien zeigen. Das gibt es nicht häufig.
Anne May, Tierpflegerin im Ozeaneum Stralsund
Unterwasserwelt ganz ohne Taucheranzug
Das Ozeaneum, eröffnet 2008, ist ein europaweit bekanntes Ziel. Schon zwei Jahre nach dem Start wurde es als „Europas Museum des Jahres“ ausgezeichnet und steht bis heute hoch im Kurs: Fast 600.000 Menschen haben es 2023 besucht. „Das Besondere ist, dass wir die Unterwasserwelt der nördlichen Meere in vielen Aquarien zeigen. Das gibt es nicht häufig“, sagt Tierpflegerin May.
Einen Großteil der Tiere haben die erfahrenen Aquarist/-innen und Tauchenden selbst beschafft, zum Beispiel in Norwegen. Dort werden Fische und wirbellose Tiere gezielt gesammelt – nur solche, die auch gezeigt werden sollen. „Das ist sehr schonend, denn es ist uns sehr wichtig, dass wir sauber und nachhaltig arbeiten.“ Andere Arten werden in Stralsund selbst nachgezüchtet, auch die Pinguine, außerdem Quallen und Glatthaie.