Dr. Jördis Frommhold und ihr Team kümmern sich in der MEDIAN Klinik Heiligendamm unter anderem um Menschen mit Post-Covid- und Long-Covid-Symptomen und -Erkrankungen. Bundesweit bekannt wurde die Pneumologin durch ihren Einsatz für Aufklärung und Heilung von lange unterschätzten Folgeerscheinungen einer Corona-Infektion. Heiligendamm, das erste Seebad Deutschlands, mit seinem milden Reizklima und die guten Bedingungen in Mecklenburg-Vorpommern schufen für sie Freiraum für Arbeit und Leben.
Unser Strandkorbgespräch mit Dr. Jördis Frommhold:
Frau Dr. Frommhold, wir sitzen gerade im Garten der Klinik. Erzählen Sie uns bitte von Heiligendamm – was ist das für ein Ort für Sie?
Dr. Jördis Frommhold: Heiligendamm ist schon aus der Geschichte bekannt und mit seiner Gründung 1793 das erste Seebad in Kontinentaleuropa. Und natürlich ist auch für mich Heiligendamm ein ganz besonderer Ort. Wir sind jetzt hier zwar auch tätig und betreiben innovative Medizin, aber letztendlich war Innovation hier schon immer vorherrschend: als erstes Seebad, durch den G8-Gipfel. Und natürlich bin ich auch stolz und glücklich, dass ich mit unserer Klinik diese Innovation jetzt fortführen darf.
Als Chefärztin der Pneumologie kümmern Sie sich vor allem um Patientinnen und Patienten mit Long-Covid. Wie ist es dazu gekommen?
Ich sollte im Mai 2020 die chefärztliche Leitung übernehmen; kurz davor begann die Pandemie und es gab hier an unserer Klinik einen richtigen Umbruch. Wir hatten zwei Möglichkeiten, uns zu entscheiden: Entweder wir machen eine Vogel-Strauß-Politik, machen die Klinik dicht oder gehen in Kurzarbeit. Oder wir nehmen unsere Verantwortung ernst, denn wir behandeln hier seit über 40 Jahren Patientinnen und Patienten nach pulmologischen Erkrankungen. So hat sich das letztendlich im April 2020 entschieden.
Und dann?
Ich habe proaktiv die Kolleginnen und Kollegen in den Akuthäusern angeschrieben und unsere Unterstützung angeboten. Man darf ja nicht vergessen, dass wir diese Klinik in Vollbelegung nahezu die ganze Zeit der Pandemie offen gehabt haben. Das bedeutet auch, dass wir immer wieder die Hygienekonzepte anpassen müssen und ständig auf neue Anforderungen reagieren. Ich kann nicht festgefahren in meinen eigenen Strukturen bleiben, auch was zum Beispiel die Therapiekonzepte anbelangt, sondern muss flexibel sein und überlegen: Was ist für die Patientinnen und Patienten hilfreich, wie mache ich die Arbeit für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicher und wie kann man diese Klinik aufrechterhalten – zum Wohl und für die Betreuung unserer Gäste.
Was macht diesen Ort für Patientinnen und Patienten von Post- und Long-Covid so besonders?
Wir nutzen natürlich den Schatz der klimatischen Faktoren, die wir hier haben. Die natürliche Sole, aber auch die Stille der Natur. In Heiligendamm kann man wirklich zur Ruhe kommen und lernen, zu einer „Standortbestimmung“ zu gelangen. Man darf nicht denken, die Patientinnen und Patienten kommen drei Wochen her und gehen dann völlig gesund wieder nach Hause. Es ist mehr so, dass wir schauen, welche Hilfsmittel wir ihnen an die Hand geben können. Es ist wichtig, für Entspannungsphasen zu sorgen und dabei zu helfen, wieder zu sich selbst zu finden, die eigenen Grenzen neu auszuloten. Die klimatischen Faktoren und die Umgebung hier sind dafür natürlich exzellent geeignet.
Sie haben Ihre Erkenntnisse zu Post- und Long-Covid in einem Buch zum Thema gemacht. War das nochmal eine besondere Herausforderung?
Ja, absolut. Ich sehe tagtäglich die Schicksale von vielen, teilweise auch jungen Patientinnen und Patienten. Mittlerweile haben wir mehr als 3.500 Betroffene in Heiligendamm mit Covid-Spätfolgen behandelt und natürlich machen diese Schicksale auch etwas mit mir persönlich. Gerade wenn es eben die nicht Vorerkrankten, nicht die alten Menschen sind, sondern Menschen, die gerne arbeiten wollen, die sich nichts sehnlicher wünschen, als ihr Leben zurück zu haben. Da hat man schon eine gewisse Demut, wenn man merkt: Ärztlicherseits sind meine Handlungsfähigkeiten auch begrenzt. In erster Linie geht es für viele hier um Symptomlinderung.
Wie hilft Ihr Wissen anderen weiter?
Viele Menschen kommen auf mich zu und fragen, was sie selbst zuhause tun können. Und genau das war der Anspruch: die Hilfe zur Selbsthilfe. Ich habe dieses Buch mit über zwei Jahren Erfahrung hier in der Reha bei uns in Heiligendamm geschrieben. Und zwar nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern aus der praktischen Erfahrung heraus und dem Anspruch, dass Betroffene und Familien in der Lage sind, sich auch ein Stück weit selbst helfen zu können.
Dr. Jördis Frommhold wurde 1981 in NRW geboren, zog nach dem Abitur nach Lübeck, wo sie bis 2007 Humanmedizin studierte und im selben Jahr promovierte. Nachdem sie einige Jahre in Wismar und Lübeck als Assistenzärztin arbeitete, legte sie 2015 ihre Facharztprüfung in Rostock ab und wurde 2020 Chefärztin der Pneumologie an der MEDIAN Klinik Heiligendamm. Bereits ein Jahr später erhielt sie die Auszeichnung „Frau des Jahres“ aus den Händen von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Nicht zuletzt wegen ihres Beitrags in der weltweiten Long- und Post-Covid-Therapie und -Forschung. Sie arbeitet ehrenamtlich beim Tauchverband und der DRK Wasserwacht.
Haben Sie hier am Standort Mecklenburg-Vorpommern gute Voraussetzungen dafür gefunden?
Ich bin mit offenen Armen aufgenommen worden! Habe aber auch immer schon viele Ideen gehabt. Stillstand ist irgendwie so gar nicht meins, und da bin ich hier auf offene Ohren gestoßen. Es war immer die Bereitschaft da, diese Flexibilität auch zu unterstützen, neue Wege zu gehen und offen zu denken. Das gefällt mir sehr, sehr gut. Und ich bin ja sowieso ein Nordmensch und ein Wassermensch. Also fühle ich mich hier einfach sehr wohl und habe auch das Gefühl, die vielen Ideen, die ich in mir trage, hier auch verwirklichen zu können.
Also wenn man darüber redet, dass MV ein Gesundheitsland ist, würden Sie dem zustimmen?
Absolut! (lacht) Gesünder als hier kann man nicht leben.
Was überzeugt Sie an Mecklenburg-Vorpommern im Hinblick auf Ihre Arbeit?
Dass ich immer Unterstützung bekommen habe und wir hier über den Tellerrand schauen dürfen. Wir dürfen gucken, was andere Fachrichtungen machen. Und ich habe immer das Gefühl gehabt, dass ich in meiner Arbeit absolut unterstützt wurde, und das ist für mich persönlich natürlich ganz, ganz wichtig.
Wohin geht für Sie die Entwicklung, wo sehen Sie das Potenzial für die nächsten Jahre?
Was ich gerade in meinem Bereich absolut notwendig finde, ist, dass wir zum Beispiel weiter die Sektorengrenzen ausweiten, also dass die Reha auch als medizinische Reha gesehen wird und als ein wichtiges Standbein des Gesundheitssystems. Auch dass die Verknüpfung zwischen Akutmedizin, Reha, aber auch universitärer Lehre noch stärker wird – hier sehe ich wirklich noch Potenzial, das wir ausschöpfen können und das auch Mecklenburg-Vorpommern ausschöpfen kann. Wir haben zwar in Deutschland eine super Hardware, was die Reha-Kliniken anbelangt, wir brauchen nicht noch mehr Kliniken. Aber die Software, also der Umgang damit – die universitäre Lehre – die fehlt noch. Und da könnte Mecklenburg-Vorpommern durchaus Vorreiter sein, gerade weil wir so einen guten Standort genau für dieses Potenzial haben.
Kann man das als Aufruf verstehen? Kommt nach MV, wenn euch Gesundheitsberufe interessieren und ihr nach Zukunftsperspektiven sucht?
Genau das ist es. Und ich bin letztendlich total stolz und glücklich, weil die Reha oft ein angestaubtes Image hat. Ich selbst komme eigentlich aus der Akutmedizin und bin jetzt ein bisschen wie die Jungfrau zum Kinde in die Reha gekommen. Aber genau das ist der Appell: Die Reha ist jung, dynamisch und weiblich. Und das ist Mecklenburg-Vorpommern letztendlich auch. Wir haben jetzt doch einige Bewerberinnen und Bewerber für unsere Assistenzarztstellen, die wirklich sehr, sehr jung sind, gerade von der Uni kommen und wirklich auch Dinge im Bereich der Reha hören wollen, die sie bisher noch gar nicht so mitgekriegt haben.
Wie entspannen Sie denn auch mal selbst?
(lacht) Ich bin ein absoluter Wassermensch und deswegen bin ich hier auch total gut aufgehoben. Ich liebe alles, was mit Schwimmen, mit Schnorcheln, mit Tauchen, mit Stand-up-Paddling, mit Bootfahren und überhaupt mit dem Meer zu tun hat. Tatsächlich ist es so, dass wir gerade in den Sommermonaten mitunter auch viel Zeit auf dem Boot verbringen und dort auch wohnen. Manchmal liegen wir in Kühlungsborn im Hafen, und ich fahre von dort mit dem Fahrrad zur Klinik, obwohl wir eigentlich in Rostock wohnen. Aber das ist so mein persönlicher Ausgleich und es ist einfach schön, dass wir das in Mecklenburg-Vorpommern so toll verbinden können.
Was sind denn Ihre Lieblingsorte in MV?
Neben Heiligendamm und Rostock, wo ich mich natürlich die meiste Zeit aufhalte, liebe ich die Halbinsel Wustrow und die Mystik dieses Ortes. Aber auch den Weststrand, Fischland-Darß und natürlich Hiddensee.
Wie würden Sie MV in drei Worten beschreiben?
Jung, dynamisch, innovativ. (lacht)