Leben
Adriana Lettrari im Strandkorb

„Das Ehrenamt ist wertvoll.“

Als Geschäftsführerin der Ehrenamtsstiftung Mecklenburg-Vorpommern, die ihren Sitz in Güstrow hat, arbeitet Dr. Adriana Lettrari jeden Tag für Menschen, die sich engagieren. Gemeinsam mit ihrem Team unterstützt sie alle, die sich in MV in ehrenamtlichen und gemeinnützigen Projekten für andere einsetzen. Dabei bringt sie Organisationstalent und viel Erfahrung aus Veränderungen mit. Sie spricht mit uns darüber im Strandkorb – und über das Zurückkommen.

Frau Lettrari, wir sind im Schlossgarten in Güstrow – was verbindet Sie mit dieser Stadt?

Dr. Adriana Lettrari: Güstrow ist der Ort, an den ich beruflich zurückgekehrt bin und an dem ich auch die Hälfte meiner Zeit verbringe. Güstrow ist der Ort, den ich aus Kindertagen kenne und nicht wiedererkannt habe, als ich vor einem Jahr die Geschäftsführung der Ehrenamtsstiftung MV übernommen habe.

Schloss Güstrow Schlösser MV

Die Ehrenamtsstiftung MV befindet sich in direkter Nachbarschaft zum Schloss Güstrow (Bild: Schlösser MV)

Wie hat sich Güstrow für Sie verändert?

Güstrow war tatsächlich eine Stadt, die grau – und ich fand – sehr grau war. Wir sind aufgewachsen in Gedankenvielfalt – aber nicht in Farbenfrohheit. Und tatsächlich: Als ich jetzt hierher zurückkam, war ich unglaublich erstaunt, wie jeder Bürgersteig ausgewechselt wurde, wie jedes Haus seine besondere denkmalgeschützte Fassade wiederbekommen hat. Es wird sich tatsächlich viel Mühe gemacht, hier zu restaurieren und diese Stadt, diese Residenzstadt um das Güstrower Schloss herum, wieder zu dem zu machen, was sie einst war. Mich hat das sehr beeindruckt.

Wie fühlt es sich an, in die Heimat zurück zu kehren?

Ich finde es sehr spannend, jetzt zurück zu kommen. Und ich erlebe zweierlei: Zum einen unsere Elterngeneration, die so ist, wie sie ist – als, wie wir auch gerne sagen, die vollsozialisierten DDR-Bürger. In der DDR geboren und aufgewachsen, nach der Wende diese unglaubliche Transformation gestaltet und damit das hervorgebracht, was Ostdeutschland jetzt geworden ist. Viele von ihnen sind viel gereist und trotzdem sind sie kulturell in ihrem Kosmos geblieben.  Zum anderen meine Generation, die mich jeden Tag große Augen machen lässt:  Hier erlebe ich den Innovationsgeist, der Mecklenburg-Vorpommern vor die Welle tragen wird.

Was macht die Ehrenamtsstiftung MV?

Die Ehrenamtsstiftung MV unterstützt gemeinnützige ehrenamtliche Organisationen in ihrer Arbeit. Wer Freude daran hat, ein eigenes Projekt – zum Beispiel als Verein - auf die Beine zu stellen, kann dies finanziell durch die Stiftung unterstützen lassen. Wer sich fragt: Was muss ich satzungstechnisch oder sonst wie juristisch, steuerrechtlich alles in den Blick nehmen – denn ich möchte mich ja eigentlich im Segelverein engagieren und mich nicht mit Steuern befassen – der kann sich gerne an uns wenden, und wir können „hands-on“ gucken: Was können wir, wie können wir unterstützen? Wer sagt: Ich möchte mich gerne mit anderen Vereinen vernetzen und will mal fragen, wie habt ihr es denn gelöst? Da haben wir unser jährliches Netzwerkevent, wo das konkret zu bestimmten Themen stattfinden kann.

Ehrenamtspreis MV

Engagement hat viele Gesichter. Mit dem "Engagementpreis Mecklenburg-Vorpommern" wurden 2021 Projekte und Vereine ausgezeichnet, die mit ihrem Einsatz für die Gemeinschaft auch andere inspirieren und motivieren. (Bild: Ehrenamtsstiftung MV)

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig zeichnet den "Treffpunkt Suppenküche Bad Doberan" für sein Engagement als Raum für Begegnungen und Austausch aus. (Bild: Ehrenamtsstiftung MV)

Ehrenamtsstiftung MV

In der Initiative LuK e. V. haben sich Engagierte zusammengeschlossen, um das Leben in Stadt und Umland mit Kulturveranstaltungen zu füllen. (Bild: Ehrenamtsstiftung MV)

Das Engagementnetzwerk Neustrelitz

Das Engagementnetzwerk Neustrelitz hat sich gegründet, um Vereine, Organisationen und Einzelpersonen miteinander zu vernetzen. Gerade in der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, wie wichtig das ist. (Bild: Ehrenamtsstiftung MV)

Die Bewohner des Dorfes Starkow

Die Bewohner des Dorfes Starkow haben vor 20 Jahren einen Verein gegründet, der den Pfarrgarten zu einer Oase und einem Garten für alle gemacht hat. (Bild: Ehrenamtsstiftung MV)

Es geht also neben finanzieller Unterstützung auch um Vernetzung und Problemlösung?

Unbedingt! Wir sind 12 Mitarbeitende, und was unser Team auszeichnet, das ist die hohe fachliche Expertise für das Engagement. Und aus dieser Expertise erarbeiten wir Problemlösungen mit den Engagierten. Aber wir kennen die allgemeinen Probleme auch daher, dass wir tatsächlich forschen. Also, wir gucken in der Vereinslandschaft hier in Mecklenburg-Vorpommern: Wo drückt der Schuh ganz spezifisch? Und dann bauen wir die Unterstützungsprogramme da drum rum.

Neu ist das Programm für Organisationsentwicklung. Was verbirgt sich dahinter?

Das ist ein neues Projekt, auf das ich wirklich sehr, sehr stolz bin. Ich glaube, dass wir tatsächlich jetzt nach der Pandemie an einem Paradigmenwechsel sind – auch im Ehrenamt. Wir brauchen zeitgemäße Arbeitsformen im Ehrenamt. MV ist ein Flächenland und da kann nicht jeder mal eben, sagen wir, drei Stunden hin zu einer Vereinssitzung fahren. Wir haben es im Ehrenamt mit Menschen zu tun, die so wie ich Kind und Kegel und Beruf und alles zusammenbringen wollen und daher die Effizienz auch im Ehrenamt brauchen. Auch, wenn Ehrenamt Spaß machen soll, muss auch ergebnisorientiert sein. Und dieses Ziel unterstützen wir mit einem Beratungsansatz: Mit einem Handbuch, das jetzt neu erscheint und mit Beratenden, die wir empfehlen können, um tatsächlich einen ganz eigenen Organisationsprozess im jeweiligen Verein aufzusetzen.

Dr. Adriana Lettrari ist Geschäftsführerin und Vorständin der Ehrenamtsstiftung Mecklenburg-Vorpommern. In Neustrelitz und Rostock aufgewachsen hat sie viele Jahre in Berlin als Organisationsberaterin, Speakerin und Publizistin gearbeitet – und war Gründerin des „Netzwerk 3te Generation Ost“. Für ihr berufliches und ehrenamtliches Engagement wurde sie mehrfach ausgezeichnet, darunter als „Frau Europas Deutschland 2016“ und „Women of Europe 2017“. Sie lebt und arbeitet in Berlin und Güstrow.

Wie nehmen denn die Menschen die Arbeit der Ehrenamtsstiftung an?

Gerade in der Corona-Pandemie sind ganz viele Vereine auf uns zugekommen. Wir haben eine Million Euro Soforthilfe ausreichen können. Viele haben da gesagt: Hätten wir die finanzielle Unterstützung nicht bekommen, gäbe es uns jetzt auch nicht mehr. Wir können mit unserer Hilfe wirklich da ansetzen, wo sie gebraucht wird. Und deshalb ist es auch ein sehr glückseliger Job, den ich machen darf und den auch meine Kolleginnen und Kollegen gerne machen.

Was macht das Ehrenamt für Sie selbst so besonders?

Das Ehrenamt ist ja der Ort, wo Sie über sich selbst hinauswachsen können. Das ist etwas, was ich selbst erlebt habe. Nicht jedem ist es vergönnt, oder nicht jeder sucht es im beruflichen Kontext, wirklich alle Seiten an sich zu entfalten, und manchmal ist es auch nicht möglich. Aber das können Sie im Ehrenamt. Sie können sagen, wenn Sie selbst keine Führungskraft im Job sind, ich möchte mich dort gerne in einer Vorstandsposition einbringen und schauen: Wie fühlt es sich an, wenn ich mich um die Dinge entscheidend kümmere, wenn ich sie im Team selbst gestalten kann?

Also spielt der soziale Faktor eine besondere Rolle?

In jedem Fall. Mecklenburg-Vorpommern befindet sich, wie alle anderen ostdeutschen Bundesländer, in einer besonderen Lage aufgrund der Unterschiede in den generationalen Lagen in einer Transformationsgesellschaft. Deshalb ist es wichtig, dass das Ehrenamt im Grunde auch ein Ort ist, an dem Jung und Alt zusammenkommen können. Ein Ort, an dem man sich auch außerhalb von politischen und sonstigen Fragen der Vergangenheit einfach den guten Dingen zuwenden kann. Der Ort des Ehrenamts, das ist der Raum zwischen Familie und Beruf. Und deshalb ist er so besonders, so wertvoll und so schützens- und unterstützenswert!

Der Wald und Wiese e. V. engagiert sich unter anderem für die Gestaltung und Entwicklung des ländlichen Raumes. (Bild: Wald und Wiese e.V.)

Sich für andere engagieren - wie hier bei den Dreescher Werkstätten, einem Verband, der Einrichtungen und Dienste in MV betreibt, deren Zweck es ist, Menschen mit Behinderung ein möglichst selbstbestimmtes, freies und würdevolles Leben inmitten der Gesellschaft zu ermöglichen. (Bild: Dreescher Werkstätten)

Der Lesemöve e. V. in Rostock vermittelt ehrenamtliche Lesepatinnen und Lesepaten, die Kindern dabei helfen, ihre Lesefähigkeiten zu verbessern. (Bild: Lesemöve e.V.)

Sich mit anderen austauschen und vernetzen - die Ehrenamtsstiftung MV organisiert viele Formate dafür. (Bild: Torsten Stapel/Ehrenamtsstiftung MV)

Hat sich das Ehrenamt in den letzten Jahren verändert?

Jünger ist es geworden. Es hat sich ein Stück weit darüber auch – ich nutze diesen Begriff – professionalisiert, indem es sich selbst darüber klargeworden ist: Was können wir schon gut im Verein, aber wo verlieren wir auch noch Zeit und wo verlieren wir vielleicht auch Geld? Wo müssen wir besser werden, auch in der Zusammenarbeit? Das ist geschehen in fünf bis zehn Jahren. Und ich glaube auch, dass die ländlichen Räume, also da, wo es wirklich drauf ankommt, dass Zivilgesellschaft zusammenhält und etwas hervorbringt, dass auch dort tatsächlich viele bunte Initiativen und Projekte entstanden sind.

Sie sind zurück nach MV gekommen – und haben Ihren eigenen Platz (wieder) gefunden?

Ich war bis jetzt als Organisationsberaterin vor allem für den Public Sector tätig. Und ich war selber ehrenamtlich ganz stark engagiert im „Netzwerk 3te Generation Ost“, das wir gegründet haben. In der Verbindung von beidem kann ich also hier in Güstrow und in Ostdeutschland noch etwas Positives vor Ort beisteuern. Das ist ja das Tolle, dass hier noch nicht alles fertig ist. Und dass hoffentlich viele andere gemeinsam mit mir neue Dinge nach MV tragen, die sie in ihrem Rucksack auf der ganzen Welt zusammengesammelt haben.

Kurz & knapp: Mecklenburg-Vorpommern in drei Worten?

Schön, windig und nass. Ja. (lacht)

Ehrenamtsstiftung MV

"Junge Leute braucht das Land" - Gastbeitrag von Dr. Adriana Lettrari

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