Die Liebe zu alten Herrenhäusern und die Idee, kulturelles Erbe vor dem Zerfall zu retten, brachte den Rostocker Dr. Robert Uhde 2010 nach Vogelsang. Die Leidenschaft für das Herrenhaus Vogelsang – ein dreigeschossiges Gebäude samt Marstall, Wasserturm und Inspektorenhaus aus dem 19. Jahrhundert – teilt seit fünf Jahren auch seine Frau Isabel. Hier inmitten dieser romantischen Idylle haben wir das Ehepaar getroffen und mit ihm über sein märchenhaftes Lebensprojekt gesprochen.
Herr Dr. Uhde, was macht man mit einem Herrenhaus?
Dr. Robert Uhde: Sich ruinieren wahrscheinlich, sich ein bisschen in der Zeitgeschichte bewegen. In der Regel muss man es ja sanieren. Viele sagen, es ist ein Lebenswerk. Man kann sich also auch ein Stück weit austoben.
Frau Uhde, was haben Sie denn gedacht, als Sie Vogelsang das erste Mal sahen?
Isabel Uhde: Also, ich sah Vogelsang, zwei Monate nachdem wir uns kennengelernt hatten. Wir kamen im Dunkeln hier an und er führte mich als passionierte Reiterin zuerst in den Stall und dann ins Haus, und ich dachte nur: Mein Gott, ist das groß! Und völlig verrückt.
Dr. Robert Uhde (*1970) gründete nach seinem Medizinstudium 1998 die Wissenschaftskommunikationsagentur Sphinx ET. Seit mehr als 20 Jahren verantwortet er Sanierungen historischer Ensembles, unter anderem das neugotische Herrenhaus Vogelsang in der Nähe von Teterow, das er gemeinsam mit seiner Frau Isabel Uhde, Eventmanagerin, saniert und mit Veranstaltungen belebt.
Was macht für Sie den besonderen Charme von Vogelsang aus?
R. U.: Wir sind hier mitten in der Mecklenburgischen Schweiz. Wir persönlich nennen es ‚unser Hyggeland‘. Das ist die kleine Mecklenburger hügelige Landschaft südlich von Rostock dicht am Meer. Das ist die Endmoränenlandschaft, die ja Teile unseres Landes ausmacht: eine wunderschöne Landschaft, sehr entlegene und in sich auch geschlossene Dörfer, und in all diesen Gutsdörfern häufig noch so ein schönes Herrenhaus. Das ist eine Kulturlandschaft, die definitiv als charmant von uns bezeichnet wird.
I. U.: Es ist märchenhaft hier. Ich komme ja aus Hamburg, und wenn man mich fragt, was MV so schön macht, dann sind es diese Landschaft und diese Häuser.
Was macht Vogelsang für Besucher zu einer bleibenden Erinnerung?
I. U.: Wir versuchen immer ein Stück weit, die Leute zu entführen und ihnen das Fantastische, Märchenhafte näherzubringen, was man sonst nicht mehr in der normalen Welt findet.
Herr Dr. Uhde, wie sind Sie eigentlich in all der Idylle bisher durch die „besondere“ Zeit gekommen?
Es ist für uns nicht ganz einfach. Wir arbeiten ja beide im Event-Bereich. Viele Veranstaltungen sind aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt worden; Hochzeiten haben sich zum Glück nur um ein Jahr verschoben. Wir haben die Zeit genutzt, um an Vogelsang weiterzuarbeiten. Wir freuen uns aber, dass die MittsommerRemise am 20. und 21. Juni stattfinden wird. Wir werden sehr wahrscheinlich auch Führungen in kleinen Gruppen anbieten können und wer möchte, bringt seinen Wein einfach mit und nutzt diesen schönen Flecken Erde hier für ein Picknick.
Stichwort MittsommerRemise: Sie organisieren dieses wundervolle Event jedes Jahr im Juni. Was verbirgt sich eigentlich dahinter?
R. U.: Als ich vor Jahren in Berlin war, merkte ich: Uns nimmt dort keiner wahr. Ein bisschen Badewanne, ein bisschen Backsteingotik, aber eigentlich passiert hier nicht so viel. So habe ich angefangen, über eine „Landpartie“ nachzudenken und 2008 die erste davon mit elf Häusern organisiert. Aus dieser MittsommerRemise wurde dann ein Festival. In Vogelsang bin ich dabei hineingelaufen, in diese alte Grande Dame, und nun hat es uns vergattert, ein bisschen wie Knecht und Magd.
Nun haben Sie für MV für die MittsommerRemise sogar den ADAC Tourismus-Preis gewonnen. Herzlichen Glückwunsch!
Ja, das macht uns sehr stolz, und wir haben uns sehr über diesen Preis und die damit einhergehende Unterstützung gefreut. Es ist wirklich etwas ganz Großartiges, diesen Preis bekommen zu haben.
Neben der MittsommerRemise organisieren Sie viele weitere Veranstaltungen. Liegt Ihnen eine besonders am Herzen?
R. U.: Na, wir machen schon sehr herzliche, sinnliche Geschichten seit fast 20 Jahren in der Altstadt von Rostock: so auch die Winterserenade, ein Klassik-Neujahrskonzert. Das ist sehr heimelig, weil dort immer 600 bis 800 Menschen mit uns durch die Galerien und Vernissagen ziehen. Aber eigentlich macht es auch Freude, andere Projekte, wie zum Beispiel die Wissenskarawane, zu begleiten, junge Menschen in Wissenschaftseinrichtungen zu bringen.
Es gibt auch in den Nachbarländern Gutshäuser. Gibt es einen grenzübergreifenden Austausch?
R. U.: Wer genau hinschaut, merkt, dass diese Kulturlandschaft der Gutsdörfer grenzenfrei ist. Das zieht sich durch Polen ins Baltikum hoch, auch bei den dänischen und schwedischen Nachbarn. Wir haben in Partnerschaft mit unserem Verein der Schlösser, Guts- und Herrenhäuser hier in MV ein internationales Projekt aufgebaut, bei dem wir mit diesen Partnern die Landpartie realisieren und im Sommer 2019 auch erstmalig erleben konnten.
Dieses Anwesen zu unterhalten, macht sicher viel Arbeit. Bestanden schon mal Zweifel?
R. U.: Stets und ständig. Wir fragen uns schon und gerade, wenn der dunkle Winter kommt, was wir hier eigentlich machen, denn es ist ja quasi jeder Euro umgedreht, und selbst unsere Stadtwohnung wurde am Ende noch verkauft, um jetzt das Dach von diesem Haus fertig zu bekommen. Also ja, Zweifel: Tun wir das Richtige? Aber was wir machen, machen wir ordentlich.