Leben
Ursula Haselböck im Strandkorb

Sie bringt MV zum Klingen

Ursula Haselböck ist Musikmanagerin und übernahm am 1. September 2020 die Intendanz der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Seitdem leitet die Österreicherin das Festival mit viel Charisma und begeistert mit ihrem alpenländischen Esprit. Wir haben sie in der Kunstscheune Nakenstorf getroffen – zum Gespräch über den besonderen Reiz der Festspiele und die Chancen und Herausforderungen der Kultur in Zeiten der Pandemie.

Fallen Ihnen als Wienerin Parallelen zwischen Österreich und Mecklenburg-Vorpommern auf?

Ursula Haselböck: Mir ist der Menschenschlag in Mecklenburg-Vorpommern näher als so manches auf dem Weg hier in den Norden. Es heißt zwar, der Norddeutsche sei schwer zu knacken – aber wenn man ihn dann geknackt hat, ist eine unglaubliche Herzlichkeit da. Das gibt einem das Gefühl, hier anzukommen und zu Hause zu sein – ähnlich wie in meiner Heimat Wien.

Ursula Haselböck

Seit September 2020 ist Ursula Haselböck Intendantin der Festspiele MV. (Bild: Oliver Borchert)

Besteht Ihre Arbeit als Intendantin der Festspiele aus Kulturmanagement oder daraus, Menschen zusammenzubringen?

Es ist von allem etwas – und ich glaube, man braucht deswegen auch Qualitäten in allem. Es reicht nicht, zwar die gesamte Musikgeschichte von A bis Z zu kennen, wenn man auf der anderen Seite aber nicht weiß, was man damit anfängt und an welche Orte man die richtige Musik bringt. Und das ist hier im Land das ganz Besondere: Es gibt so viele wunderschöne und doch so grundverschiedene Orte, die danach schreien, mit Musik bespielt zu werden – und zwar mit Musik aller Genres. Ich möchte gute Musik ins Land bringen, und das heißt nicht nur: Bach, Mozart, Beethoven, Schostakowitsch, sondern auch die andere gute Musik, die da ist. Das ist eine unglaubliche Chance, und ich freue mich sehr, Mecklenburg-Vorpommern mit Musik zu füllen und noch mehr zum Klingen zu bringen.

Ursula Haselböck ist seit September 2020 die Intendantin der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Die gebürtige Wienerin lebt in Schwerin. Sie ist studierte Musikmanagerin und Cellistin und hat darüber hinaus einen Abschluss in Germanistik.

Wie gehen Sie und Ihr Team mit dieser für Kultur so schweren Zeit um?

Es ist eine schwierige Zeit, die gleichzeitig – wie jede Krise – auch sehr viele Chancen birgt. Ich habe im September letzten Jahres mein Amt angetreten. Der erste Schwung der Absagen und Neuplanungen war erledigt, mein Vorgänger Dr. Markus Fein hatte gemeinsam mit dem Team hier großartige Arbeit geleistet, und nun ging es eben darum: Wie geht man mit der näheren und auch der weiteren Zukunft um? Das Team der Festspiele ist hier zu neuen Größen gewachsen, und besonders eine Stärke macht sich in Zeiten wie diesen besonders bezahlt: Die Festspiele sind nah am Publikum und leben auch eine große Nähe zu den Künstlerinnen und Künstlern. Bei allen Verschiebungen, bei allen Umplanungen zahlt sich nun aus, dass der Weg zu den Künstlern ein kurzer ist – und auch sehr offen besprochen werden kann, wie es jedem Einzelnen geht. Die Künstlerinnen und Künstler jammern gerade sehr zu Recht, auch wenn es jedem sehr unterschiedlich ergeht. Manche nutzen die Krise für kreatives Arbeiten, andere wissen gerade nicht, wohin mit sich, wohin mit dem Frust und der mangelnden Perspektive.

Wie haben Sie die Reaktion des Publikums in dieser Zeit empfunden?

Wir haben eindeutig gemerkt, wie sehr die Festspiele im Land verwurzelt sind. Ich bin wahnsinnig dankbar, diese Erfahrung ganz am Anfang meiner Intendanz gemacht haben zu können. Wir haben viel Zuspruch aus der Bevölkerung bekommen: Macht weiter, es ist wichtig, dass es euch gibt. Unsere Konzerte unter Pandemiebedingungen wurden unglaublich gut besucht und angenommen. Wir haben unseren privaten Eine-Million-Euro-Rettungsschirm auch nur deshalb geschafft, weil unser Publikum, unsere Förderer und die Menschen im Land Mecklenburg-Vorpommern an uns geglaubt und uns unterstützt haben.

Musikerin auf einer Wiese

Im dreimonatigen Festspielsommer bringen die Festspiele MV von Mitte Juni bis Mitte September Musik an die schönsten Orte des Landes. (Bild: Felix Broede)

Nils Mönkemeyer

Der gefeierte Bratscher Nils Mönkemeyer prägt als Preisträger in Residence den kommenden Festspielsommer. (Bild: Holger Martens)

Armida Quartett am Meer

Das Armida Quartett lädt im Oktober hochkarätige Musikerinnen und Musiker auf der Insel Rügen zum Festspielherbst ein. (Bild: Oliver Borchert) 

Wie haben Sie agiert in der schwierigen Zeit, in der keine „one-to-one“-Konzerte mehr veranstaltet werden konnten? 

Die Kernidee der Festspiele war und ist für die nähere und fernere Zukunft, Musik ins Land zu bringen – egal unter welchen Bedingungen. Wir haben uns wirklich bemüht, jede nur erdenkliche Lücke zu nutzen, um Konzerte zu veranstalten und um Musik zu machen.

Musik an Orte zu bringen, die eigentlich keine klassischen Konzertorte sind – macht das den Reiz von MV und den Festspielen aus?

Na klar macht das den Reiz aus! Konzerte an klassischen Konzertorten zu veranstalten, ist wunderbar, manche Formate passen auch wirklich nur dorthin. Wenn man zum Beispiel an ganz intime Kammermusik denkt, ist es schon gut, wenn das Konzert dann in einem ordentlichen Konzertsaal stattfindet, der dafür gemacht ist, dass diese Musik gut klingt. Aber was dieses Festival wirklich so spannend und diese Aufgabe so toll macht, ist eben auch, neue Orte zu entdecken und Menschen und Musik an Orte zu bringen, wo man Musik vielleicht gar nicht erwarten würde. Jetzt, im Sommer 2021, planen wir zum Beispiel, im Ostseestadion Schlachtengesänge erklingen zu lassen und ein Piano-Battle zu veranstalten. Oder in einer Werfthalle Musik zu machen. Mit unserem Detect Classic Festival sind wir am Tollensesee in Neubrandenburg in den alten RWN-Hallen zu Gast. Das sind genau die Orte, die Mecklenburg-Vorpommern ausmachen und die mich auch wirklich zu den Festspielen gebracht haben, die neugierig und einfach Spaß machen.

Peter Kranz und Ursula Haselböck

Ursula Haselböck im Strandkorbinterview mit Peter Kranz, dem Leiter des Landesmarketings MV.

Spielstätte der Festspiele MV

Die Kunstscheune Nakenstorf beherbergt seit Jahren auch Konzerte der Festspiele.

Die Kunstscheune ist nicht nur ein Ort für Kulturfreunde, hier leben auch Schafe und Gänse.

Hatten Sie schon vorher Berührungspunkte mit Mecklenburg-Vorpommern? 

Es war eine zweischrittige Liebe, wenn man so will. Ich habe die letzten acht Jahre in Berlin verbracht, und da ist der Weg an die Ostsee natürlich oft der nach Mecklenburg-Vorpommern. Ich habe – wie es sich für eine gute Neu-Berlinerin gehört – das eine oder andere Wochenende hier am Meer verbracht. Für mich als Österreicherin ist die Nähe zum Meer ja immer noch etwas ganz Besonderes: An der Küste geht mir schlichtweg das Herz auf. Aber so richtig verliebt ins Land habe ich mich, als ich mit Sack und Pack hier angekommen bin und sehen konnte, wie wunderschön dieses Land tatsächlich ist.

Wo sehen Sie die Festspiele MV in fünf Jahren?

Ich sehe sie immer noch im ganzen Land. Ich sehe sie mit viel Publikum, hoffentlich auch viel überregionalem Publikum, das die Festspiele und Mecklenburg-Vorpommern besucht. Gerade in Zeiten, in denen die internationale Reisetätigkeit eingeschränkt ist, ist die große Chance da, dass Menschen ihr eigenes Land oder die nahe liegenden Bundesländer wieder neu entdecken. Ich sehe die Festspiele jung, ich sehe sie abenteuerlustig und improvisationswillig – das macht sie aus. Ich sehe sie weiter mit großem Rückhalt des Publikums und der Menschen vor Ort, und ich hoffe vor allem weiter auf das großartige Team der Festspiele, mit dem ich arbeiten kann.

Wie werden Sie die nächste Saison im Hinblick auf die Pandemie gestalten?

Wir werden Konzerte geben; wir werden versuchen, die Konzerte möglichst in ihrer ursprünglich angedachten Form zu veranstalten. Auch, wenn sie dann vielleicht eine Stunde dauern und vor weniger Publikum stattfinden können. Und die wichtigste Nachricht: Haben Sie Vertrauen, kommen Sie zu den Konzerten! Denn der letzte Sommer hat bewiesen, dass ein Konzert ein sehr sicherer Ort ist, an dem sich alle an strenge Hygienevorschriften halten. Es ist wichtig für uns, es ist wichtig für die Künstlerinnen und Künstler und es ist auch für das Publikum sehr wichtig, dass Konzerte veranstaltet werden können.

Ulrichshusen

Das Herz der Festspiele: Schloss Ulrichshusen. (Bild: Geert Maciejewski)

Schloss Bothmer

Schloss Bothmer im Klützer Winkel ist eine der Spielstätten der Festspiele MV. (Bild: TMV/Tiemann) 

Schlosspark von Ludwigslust

Schauplatz des „Kleinen Fest im großen Park“: der Schlosspark von Ludwigslust. (Bild: TMV/Tiemann) 

Gibt es eine Musik, bei der Sie sagen „So klingt MV für mich“?

Ich habe eine besondere Erinnerung an Musik und Mecklenburg-Vorpommern, die vielleicht gar nicht so zur Intendantin eines doch eher klassischen Musikfestivals passt: Ich bin das erste Mal im Auto alleine über Land gefahren – es war August, ein herrlicher Sommertag, rundherum reife Wiesen, das wunderschöne Sommerlicht … und ich habe lautstark Musik der österreichischen Pop-Band Wanda gehört. Und plötzlich dachte ich mir: Ja, das hat das Potenzial zum Zuhausesein. Und mit diesem Gefühl wird das wohl auf ewige Zeiten meine Mecklenburg-Vorpommern-Musik sein.

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