Leben
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Mit Spaß und mit Erfolg

Auf dem Wasser, auf dem Rad, mit Fingerspitzengefühl: Sport hat in Mecklenburg-Vorpommern viel Platz: Lennart Burke segelte nach dem Abi über den Atlantik, Radrennfahrerin Lea Sophie Friedrich holte WM-Gold, Henning Wilmbusse spielt E-Football für Hansa Rostock. Und Pia Boni und Marie Kohlen bringen Gehörlosen das Kitesurfen bei.

Text von Andreas Frost

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„Natürlich hatte mein erstes Fahrrad Stützräder wie bei allen kleinen Mädchen“, erzählt Lea Sophie Friedrich. Damit ist sie über Dassows Bürgersteige geflitzt. Wenn sie jetzt in ihrer Heimat im Nordwesten Mecklenburg-Vorpommerns vom harten Training ausspannt, hat sie längst Tokio im Blick. In Japan möchte sie Anfang August ihre erste olympische Medaille holen. Im vergangenen Jahr wurde die Bahnradsportlerin Weltmeisterin im 500-Meter-Zeitfahren und im Teamsprint, bei den U23-Europameisterschaften gab es viermal Gold – die bisherigen Höhepunkte ihrer jungen, aber an Medaillen bereits reichen Karriere.

Lea Sophie Friedrich beim Radsport

Viermal Gold holte Lea Sophie Friedrich bei den U23-Europameisterschaften. (Bild: Lea Sophie Friedrich)

Lea Sophie Friedrich

Die frisch ausgebildete Polizistin liebt den Radsport seit vielen Jahren. (Bild: Lea Sophie Friedrich)

Lea Sophie Friedrich Bahnradsportlerin

Tokio im Blick: Bahnradsportlerin Lea Sophie Friedrich. (Bild: Lea Sophie Friedrich)

Für Lea Sophie Friedrich Erholung pur: die Ostsee. (Bild: Lea Sophie Friedrich)

Als Mädchen hat sie Fußball gespielt und ist mit ihrem Crossrad über die sanften Hügel der Umgebung gekurvt. In einem Ort, in dem auch der vielfache Tour-de-France-Teilnehmer Jens Voigt aufwuchs, war es dann nicht weit zum Radsport. Mit 13 Jahren wechselte sie ins Sportinternat in der Landeshauptstadt Schwerin. „Seitdem ging es für mich nur noch bergauf und ich habe gemerkt, dass Bahnradrennen der Sport ist, für den ich leben möchte.“ Lea Sophie Friedrich liebt die Kurzstrecken, „weil ich mit dem Kopf fahren muss – trotz all der Kraft, die es braucht. Man muss die Gegnerin mit Taktik besiegen“. Aber natürlich reizt sie die Geschwindigkeit auf der Bahn: „Dieser Druck in der Kurve! Das ist ein unglaublich tolles Gefühl.“

Bahnradrennen ist der Sport, für den ich leben möchte

Lea Sophie Friedrich

Daheim an der Ostsee zu baden, ist für die frisch ausgebildete Polizistin pure Erholung. „Mehr brauche ich nicht. Hier ist Familie, hier ist Natur, kein Großstadtfeeling.“ Und zwischen Kaffeetrinken und Abendbrot setzt sie sich aufs Rad und radelt nach Boltenhagen. Hin und zurück sind es mehr als 50 Kilometer – für die Weltmeisterin nur ein kleiner Ausflug.

Schweriner Sportclub e.V.

Mit der Natur eins sein

Während jedes Langstreckenrennens gibt es für Lennart Burke einen faszinierenden Moment: „Es ist ein krasses und wohliges Gefühl, wenn du nach mehreren Tagen auf dem Ozean mit dem Boot und der See zusammenwächst, wenn du mit Material und Natur verschmilzt.“ Der Stralsunder liebt die Herausforderung des Offshore-Segelns. Die Ungewissheit, was Wetter und Wellen ihm abverlangen werden, und sich immer wieder darauf einstellen zu müssen. Allein oder zu zweit tagelang auf einem Boot, da muss er vielen Rollen gerecht werden: „Du bist Steuermann, Navigator, Meteorologe und Smutje“, sagt der junge Segler, „und als Psychologe musst du manchmal deiner Motivation auf die Sprünge helfen.“ Gefahr ist nicht sein Ding. Durch akribische Vorbereitung versucht er, möglichst viele Risiken auszuschalten.

Lennart Burke

Für Lennart Burke ist es ein unbeschreibliches Gefühl, mit dem Boot und der See zusammenzuwachsen. (Bild: Alexander Champy-McLean)

Segelboot

Zehn Monate lang segelte Lennart Burke mit einem Freund über den Atlantik. (Bild: "Andiamo": privat)

Lennart Burke

Steuermann, Navigator, Meteorologe und Smutje zugleich: Lennart Burke. (Bild: LennartBurkeSailing JohanMüller)

Segelboot

Lennart Burke im Hafen seiner Heimatstadt Stralsund. (Bild: LennartBurkeSailing JohanMüller)

Lennart Burke hat mit dem Segeln angefangen, als er noch in der Grundschule war. Nach dem Abitur schipperte er mit einem Freund zehn Monate lang über den Atlantik in die Karibik und zurück. Das Geld dafür hatte er sich als Pizzabote erarbeitet. Sein Heimatrevier aber ist die Ostsee. Er kennt sie rund um Rügen und hinauf bis nach Helsinki. Es ist ein anspruchsvolles Revier, mit kurzen, steilen, wechselhaften Wellen, sagt Lennart Burke. Und er liebt die natürlichen und verwinkelten Häfen an Vorpommerns Küste.

Ende September geht Lennart die nächste Regatta, die traditionelle Mini Transat. Als Einhandsegler in einer 6,50 Meter langen Slup von Frankreich nach Guadeloupe. Nur wenige deutsche Segler haben bislang teilgenommen. Für den Stralsunder soll die Mini Transat das Sprungbrett in die Profiszene werden. Egal, ob er drei Wochen lang voraus- oder hinterhersegelt: „Dieser tolle Moment, in dem ich mit Natur und Material verschmelze, kommt auf jeden Fall.“

Lennart Burke

Wenn im Westen die Sonne in der Ostsee versinkt

An den Leinen über dir schwebt dein bunter Kite, dein Kiteboard rauscht über das Wasser und die rote Sonne verschwindet hinter dem Horizont. Nirgendwo passt das so gut zusammen wie auf Ummanz, einer kleinen Insel westlich vor Rügen. So sagen es Pia Boni und Marie Kohlen. Seit drei Jahren geben die beiden ihre Begeisterung für ihren Sport weiter – an Gehörlose.

Pia Boni ist Kitesurflehrerin. Als sie in Stralsund Baltic Management studierte, jobbte sie in den Ferien in der „Tiki Bar“ auf Ummanz. Marie Kohlen ist ausgebildete Gebärdensprachdolmetscherin. Angefreundet haben sie sich auf Sri Lanka, wo Pia Kitesurfkurse gab und Marie auf den Geschmack kam. Beim Wiedersehen auf Ummanz hatten sie die Idee, Gehörlosen den Sport beizubringen. „Wir haben uns zwar nicht ausgemalt, was alles schiefgehen könnte“, sagt Pia Boni, „aber auch nicht, dass das Projekt so schnell Fahrt aufnimmt.“

Der Unterricht bei „DeafVentures“ läuft über Gebärdensprache. (Bild: DeafVentures)

Marie Kohlen gründete gemeinsam mit Pia Boni "DeafVentures". (Bild: DeafVentures/Lomoherz)

Kitesurflehrerin Pia Boni studierte in Stralsund Baltic Management. (Bild: DeafVentures/Lomoherz)

Der Unterricht bei „DeafVentures“ läuft fast so ab wie in anderen Kitesurfkursen auch. Nur wenn etwas erklärt werden muss, kommt der Kite runter aufs Wasser. Schließlich wird mit Gebärden kommuniziert, die Hände müssen frei sein. Pia Boni: „Das große Revier vor Ummanz ist flach genug, um darin zu stehen. Das Wasser ist nicht zu kabbelig und macht es Anfängern leicht.“

Ummanz ist einfach ein schöner Flecken Erde

Pia Boni

Abseits vom Rummel und umgeben vom Nationalpark leben Wassersportler und Naturbegeisterte auf Ummanz in ihrem eigenen Kosmos, erzählt Pia Boni. „Ummanz ist einfach ein schöner Flecken Erde.“ Die Kitesurfkurse sind für sie mehr als ein Hobby, aber nichts, wovon sie dauerhaft leben möchte. „Es soll uns ja weiterhin Spaß machen.“ Den haben Pia Boni und Marie Kohlen auch nach einem Tag auf dem Wasser. Bei Burgern und Cocktails an der Surfstation „Ummaii“, wenn im Westen die Sonne in der Ostsee versinkt.

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Mit Fußball groß geworden

Henning Wilmbusse spielt demnächst für Hansa Rostock in der Bundesliga. In der Virtuellen Fußball-Bundesliga (VBL). Dann tritt der Sechzehnjährige gegen die e-Football-Spieler anderer Vereine an. Nur Bundesligaclubs können Teams für die VBL benennen. Kein Wunder, dass sich Henning mehr als andere Rostocker Fans über Hansas Aufstieg in die Zweite Liga gefreut hat.

Henning ist stolz auf seinen Lieblingsverein. „Hansa auf dieser anderen Fußballbühne repräsentieren zu dürfen, ist schon eine besondere Ehre“, sagt der Gymnasiast. Er ist mit Fußball groß geworden. „Nach der Schule haben wir bei jedem Wetter draußen gekickt bis es dunkel wurde“, erzählt er. Regelmäßig ging er mit seinem Vater zu den Heimspielen von Hansa Rostock. Als er seine erste Konsole bekam, spielte er vor allem Fußballsimulationen. Bald hatten seine Gegner kaum noch eine Chance gegen ihn. Als Hansa Rostock im Corona-Winter 2020/21 ein e-Football-Turnier veranstaltete, war Henning einer der Gewinner und wurde ins dreiköpfige e-Football-Team berufen.

Henning Wilmbusse

Als Hansa Rostock im Corona-Winter 2020/21 ein e-Football-Turnier veranstaltete, war Henning Wilmbusse einer der Gewinner. (Bild: Silke Winkler)

Henning Wilmbusse

eFootball hat immer mehr begeisterte Anhängerinnen und Anhänger. (Bild: Silke Winkler)

Henning Wilmbusse

Begeisterter FC-Hansa-Rostock-Fan: Henning Wilmbusse. (Bild: Silke Winkler)

Henning Wilmbusse

Mit Fußball groß geworden: Henning Wilmbusse. (Bild: Silke Winkler)

Fünf Stunden Training am Tag – für Henning der Normalfall. Er zeichnet auch Partien auf und analysiert, was er falsch gemacht hat. „Wenn ich allein auf den Torwart zugelaufen bin, habe ich häufig zwei Finten zu viel gemacht, statt zu schießen. Wie beim richtigen Fußball halt.“ Auch Fingerfertigkeit trainiert er, etwa um einen „Übersteiger“ mit der Konsole besser hinzubekommen.

Irgendwann möchte Henning vor Zehntausenden Zuschauerinnen und Zuschauern spielen. „Die Teilnahme an offiziellen Profiturnieren – das wäre schon krass.“ Die Spiele der Virtuellen Bundesliga wird er im Gamer-Sessel vor dem Bildschirm zu Hause in Warnemünde absolvieren. Natürlich im weiß-blauen Hansa-Trikot. „Aber ich habe noch viel Zeit, Karriere zu machen.“

FC Hansa Rostock

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