Die Unternehmerin Katharina Clausohm ist Mecklenburg-Vorpommerns „Frau des Jahres“
Text von Andreas Frost
Den Unterschied zwischen Männern und Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft erklärt Katharina Clausohm so: Wenn ein Mann einen Drei-Millionen-Euro-Auftrag an Land ziehe, gebe es an solch einem Tag für ihn nur dies zu feiern. „Eine Frau, die einen Drei-Millionen-Euro-Auftrag akquiriert, kann sich am selben Tag auch über die gute Schulnote ihrer Tochter und über ein Paar schicker neuer Schuhe freuen.“ In diesem Sinne möchte die Unternehmerin Vorbild für andere Frauen sein, möchte sie ermutigen, „in Führungspositionen zu gehen und dabei sich nicht anzupassen an die männergeprägte Geschäftswelt“.
Katharina Clausohm ist im März dieses Jahres von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns als „Frau des Jahres“ ausgezeichnet worden. Sie ist Geschäftsführerin der Clausohm Software GmbH, eines Familienunternehmens in Neverin, einem Dorf sieben Kilometer vor den Toren Neubrandenburgs. Wer den von Holz und Glas dominierten Flachbau der Firmenzentrale betritt, steht sofort im Großraumbüro und wird von Katharina Clausohm herzlich in Empfang genommen. Keine Vorzimmerdame fordert den Gast auf, sich noch etwas zu gedulden, bis die Chefin Zeit habe.
Programmiert wurde im Keller
Die Firma ist spezialisiert auf komplexe IT-Lösungen für Automatisierungsprozesse und webbasierte Anwendungen. Katharina Clausohm hat sie vor 30 Jahren zusammen mit ihrem Mann Michael aus der Taufe gehoben. Mehr als 70 Computer- und Software-Spezialistinnen und -Spezialisten arbeiten für die Firma, darunter zwei der vier Kinder der Geschäftsführerin. Das Unternehmen hat Filialen in Berlin und Aachen.
„Nach der Wende 1990 war für uns vollkommen klar, dass wir uns selbstständig machen“, berichtet Katharina Clausohm. „Im Bereich der EDV war die DDR gnadenlos im Hintertreffen. Das Potenzial der Datenverarbeitung wurde überhaupt nicht erkannt. Wir aber hatten so viele Ideen, die wir auch selbst verwirklichen wollten.“ Mit den „Begrüßungsgeldern“ der Familie kauften sie einen Computer. Im Keller ihres Hauses in Neverin entstanden die ersten Programme. Zwar war ihr erster Abnehmer ein Neubrandenburger Betrieb. Aber generell wurde ostdeutschen Computer-Fachleuten damals wenig zugetraut. Mit einer gewissen Hartnäckigkeit fanden die Clausohms ihre Kunden „im Westen des Westens“ und in den Niederlanden, „wo die Leute weniger Vorurteile hatten“.
Ferienjob in der EDV
Katharina Clausohm ist bei einer selbstbewussten Mutter und einer selbstbewussten Großmutter in Neubrandenburg aufgewachsen. „Schon als Kind war ich nie die Prinzessin. Ich war eher diejenige, die den Drachen tötet“, sagt sie. An Selbstbewusstsein mangelt es ihr auch heute nicht, wie sie unumwunden zugibt. Ihre Mutter war für die EDV in einem großen volkseigenen Betrieb verantwortlich und versuchte, ihre Tochter mit einem Ferienjob für die Datenverarbeitung zu begeistern. Das ging erst einmal schief. „Ich musste Lochstreifen duplizieren.“ Das war ihr zu langweilig.
Schon als Kind war ich nie die Prinzessin. Ich war eher diejenige, die den Drachen tötet.
Katharina Clausohm
„Ich habe Schäferin gelernt“, erzählt sie – was nichts mit Einsamkeit und Romantik zu tun hatte. Der große Zuchtbetrieb in Leppin versuchte, das Fell der Schafe und damit die Wollqualität zu verbessern. Auch beim Schlachten packte Katharina Clausohm mit an. „Ich mache Ihnen noch heute in zwanzig Minuten ein Kaninchen ofenfertig.“ Sie kocht für die Familie, das kann sie und das macht ihr Spaß. Der Lehre zur Schäferin folgte ein Studium zur Agraringenieurin, das sie 1990 abbrach.
Elternzeit ist selbstverständlich
In der Clausohm Software GmbH hat Katharina Clausohm nur anfangs versucht, zu programmieren. Dann überließ sie es ihrem Mann. „Der konnte es einfach besser.“ Katharina Clausohms Domäne im Unternehmen sind die Betriebswirtschaft und das Personalmanagement. Ihr unscheinbarer Computer-Arbeitsplatz ist einer unter vielen zwischen denen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Großraumbüro.
„Ich kümmere mich darum, dass sich die Mitarbeiter wohlfühlen. Zum Beispiel durch interessante Aufgaben. Außerdem arbeiten wir hier in Gruppen. Alle haben einen Ansprechpartner, wenn sie ihn brauchen.“ Wer Probleme hat, findet ein offenes Ohr bei ihr. Als „Kummertante“ aber sei sie nicht geeignet, sagt Katharina Clausohm. „Wer Kummer hat, wendet sich nicht an starke Frauen.“
Sie achtet darauf, dass das überwiegend männliche Team Sport treibt und – wie sie selbst es tut – auf die Gesundheit achtet. Viele Männer in der Belegschaft zu haben, führt nicht automatisch zu einem „männlichen“ Betriebsklima. Die jungen Väter zum Beispiel gehen hier selbstverständlich in Elternzeit. „Sonst würde ich mir auch Sorgen um sie machen“, sagt die Chefin.
Wichtigster Wert: Vertrauen
Katharina Clausohm zuckt nicht zusammen, wenn sie als „Geschäftsführer“ bezeichnet wird. Um eine Gleichberechtigung von Frau und Mann zu erreichen, sei die Erziehung wichtig. „Die verschiedenen Rollen müssen gleichberechtigt vorgelebt werden. Dann können Kinder selbst entscheiden, woran sie sich orientieren wollen.“
Ein Wert, der ihr besonders wichtig ist, sei Vertrauen, sagt Katharina Clausohm. Vertrauen, das sie anderen entgegenbringt, und Vertrauen, das sie von anderen erhofft – und erwartet. Sie ist zudem fasziniert von Menschen, die eine Vision haben und diese zielstrebig und beharrlich verfolgen. Sie sagt „fasziniert von“ und nicht „schätzt“ – ein Wort, in dem viel mehr fordernde Erwartung an andere mitschwingen würde. Ja, zielstrebig und beharrlich sei sie auch selbst, aber auch flexibel. Zielstrebigen Menschen würde sie ihr Geld anvertrauen, sagt sie, da sei sie sicher, dass daraus etwas Sinnvolles entsteht.
Die verschiedenen Rollen müssen gleichberechtigt vorgelebt werden.
Katharina Clausohm
Katharina Clausohm vertraut vielen Leuten ihr Geld an. So unterstützte sie den Sportverein Turbine Neubrandenburg beim Bau einer neuen Vereinssporthalle, einer Boulderhalle und einer Indoor-Kletterhalle. Sie ist Sponsorin für die jährliche Mecklenburger Seenrunde, dem wichtigsten Radsport-Event der Region, und für den Neubrandenburger Tollenseseelauf. Einmal in der Woche betätigt sie sich als Athletik-Übungsleiterin.
Verantwortung für ihr Dorf
Mit Blick auf die Förderung des Berufsnachwuchses ist die Kooperation des Unternehmens mit einem Neubrandenburger Gymnasium nicht ganz uneigennützig. Zwei Clausohm-Mitarbeiter geben dort Stunden in den Grundlagen der Informatik und des Programmierens. Das Unternehmen stellt außerdem der Hochschule Stralsund vier Ausbildungsplätze im Rahmen eines dualen Studiums zur Verfügung.
Großes Vertrauen hat sie auch in den Bürgermeister von Neverin, der mit ihrer finanziellen Unterstützung einen Bürgerpark hat anlegen lassen. Katharina Clausohm fühlt sich verantwortlich für die Zukunft des Dorfes, das sich durch viele Zu- und Fortzüge in den vergangenen 30 Jahren verändert habe und neu zusammenfinden müsse. Anscheinend hat das Engagement Spuren hinterlassen. Ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger sind offenbar stolz auf ihre Auszeichnung zur „Frau des Jahres“. Katharina Clausohm sieht sich zwar als Vorbild für Frauen in Führungspositionen, aber keineswegs für Frauen generell. „Frau des Jahres kann auch eine Mutter werden, die zu Hause drei Kinder großzieht.“