Zukunft

Urlaubsparadies unter dem Mikroskop

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Autorin: Dörte Rahming

Das Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) deckt Entwicklungen im und am Salzwasser auf. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse betreffen alle Küstenmeere der Welt.

Wasser bis zum Horizont, Sand, Wind, Sonne – das ist die Szenerie für einen gelungenen Urlaub. Und für wissenschaftliche Arbeit auf internationalem Niveau: im Institut für Ostseeforschung (IOW) in Rostock-Warnemünde.

Gerade beginnt hier die Arbeit zu einem speziellen Gebiet: der Flachwasserforschung. „Der Bereich des Meeres bis 20 Meter Tiefe ist am wenigsten erkundet“, sagt Prof. Heide Schulz-Vogt, die stellvertretende Direktorin des IOW. „Denn er ist nicht leicht zugänglich: für Gummistiefel zu tief, für Schiffe zu flach. Außerdem wirken Stürme dort bis zum Grund – das macht es schwieriger, Dauermessstationen aufzustellen.“

Der Bereich des Meeres bis 20 Meter Tiefe ist am wenigsten erkundet.

Prof. Heide Schulz-Vogt

Im Fokus stehen die Stoffkreisläufe an dieser Schnittstelle zwischen Land und Meer: „Es gibt Einträge in beide Richtungen: Nährstoffe kommen über das Regenwasser vom Land ins Meer. Aber bei großen Stürmen gelangt Salzwasser an Land.“ Gebraucht werden unter anderem neue Technologien.

Gerade in der Ostsee ist die Ausweitung von Zonen unter Wasser, in denen es wenig oder gar keinen Sauerstoff mehr gibt, eine der größten Herausforderungen. „Die finden sich inzwischen nicht mehr nur in den tiefen Becken, sondern auch im küstennahen Bereich. Das ist ein Problem für die Fischerei, denn der Fischnachwuchs findet zu wenig Nahrung. Und es ist auch ein Problem für den Tourismus, denn niemand möchte zum Beispiel Matten aus Blaualgen, also Cyano-Bakterien, sehen oder sich mit Vibrionen anstecken.“

Das Tor zur Tiefgründigkeit: Haupteingang des Instituts für Ostseeforschung Warnemünde.

Zentraler Treffpunkt für regen Gedankenaustausch – die hauseigene Cafeteria.

Kleine Proben geben oft große Erkenntnisse. Akkurat sortierte Reagenzgläser aus dem Forschungslabor.

Beim Forschungsteam des IOW stehen Stoffkreisläufe zwischen Land und Meer im Fokus.

Ein Meer unter Beobachtung

„Die Ostsee ist ein besonders sensibles Meer, denn sie hat nur einen engen Zugang zur Nordsee, der Wasseraustausch ist also relativ gering“, erklärt die Meeresbiologin. „Deshalb ist es eine unserer zentralen Aufgaben zu erforschen, wie deren Ökologie sich entwickelt.“

Ein Instrument dafür ist das Ostsee-Monitoring. Das IOW erfasst seit mehr als 30 Jahren regelmäßig ozeanografische, chemische und biologische Parameter. Das Instituts-eigene Forschungsschiff „Elisabeth Mann Borgese“ läuft dafür fünf Mal im Jahr zu zweiwöchigen Fahrten aus. Weitere Expeditionen mit anderen Schwerpunkten führen bis in die nördlichsten Gebiete der Ostsee. Eindeutiger Trend: Dort wird das Wasser immer wärmer. „Das verschärft viele Probleme, zum Beispiel treten höhere Sturmfluten auf. Dadurch kann Salzwasser in küstennahe Moore gelangen und beeinflusst dortige Prozesse.“

Die Ostsee ist ein besonders sensibles Meer, denn sie hat nur einen engen Zugang zur Nordsee, der Wasseraustausch ist also relativ gering.

Prof. Heide Schulz-Vogt

Prof. Heide Schulz-Vogt, stellvertretende Direktorin des IOW, betrachtet eines der Reagenzgläser.

Prof. Heide Schulz-Vogt nimmt ihre Lieblingsbakterien unter die Lupe, die als fischfreundlich gelten.

Weltweite Zusammenarbeit

Die Forschungsergebnisse aus Warnemünde sind nicht nur für die Ostsee wichtig, sondern sie betreffen alle Küstenmeere der Welt. Deshalb kooperiert das IOW unter anderem mit einer Forschungseinrichtung in Chile und seit Neuestem mit der Dalhousie-Universität im kanadischen Halifax. „Denn auch dort gibt es ähnliche Probleme und Interessen wie hier“, weiß Schulz-Vogt.

Die Forschungsergebnisse aus Warnemünde sind nicht nur für die Ostsee wichtig, sondern sie betreffen alle Küstenmeere der Welt.

Prof. Heide Schulz-Vogt

2023 wurde ein internationales Projekt gestartet, in dem es um Mikroorganismen in den europäischen Meeren geht. „Es ist wichtig, ihre Vielfalt zu erfassen und Veränderungen zu sehen“, sagt die 53-Jährige. „Denn sie spiegeln einen Lebensraum wider und verändern ihn – auch wenn man sie nicht so einfach sehen kann.“ Für die Auswertung der riesigen Datenmengen aus diesem und anderen Vorhaben kommt zunehmend künstliche Intelligenz zum Einsatz.

Zudem arbeitet das IOW mit der Universität Rostock und dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) zusammen. Das Institut zieht Forschende aus aller Welt an. Einige der 250 Kollegen kommen aus Großbritannien und Italien, Mexiko, Brasilien und dem Iran. Zentraler Treffpunkt für den Gedankenaustausch ist die hauseigene Cafeteria. „Der Kaffee ist gratis, aber man darf ihn nicht mitnehmen“, lacht die Professorin. „Also unterhält man sich mit denjenigen, die auch gerade da sind.“

Im Labor gleich nebenan forscht sie an ihren Lieblingsbakterien, die auf dem Meeresboden weiße Teppiche bilden und etwas ganz Besonderes sind: „Sie leben auch dort, wo es wenig Sauerstoff gibt. Denn sie oxydieren das Sulfid, das heißt, sie sorgen dafür, dass dieses giftige Gas nicht ins Wasser gelangt. Es sind also richtige Fisch-Helfer.“ Schulz-Vogt forscht seit 2012 in Warnemünde, leitet dort die Sektion „Biologische Meereskunde“ und schätzt die Arbeitsbedingungen sehr: „Es ist der Ort, an dem ich am liebsten forschen möchte. Ich würde nicht woanders hingehen wollen.“

Es ist der Ort, an dem ich am liebsten forschen möchte. Ich würde nicht woandershin gehen wollen.

Prof. Heide Schulz-Vogt
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